Knallige Farben, schicke Diagramme
Das erste, was einem am „Arab Youth Survey 2017“ auffällt, ist die optimistische Präsentation. Lachende junge Menschen, darunter Frauen im Niqab, urbane Hintergrundbilder. Die große, amerikanische PR-Agentur Burson-Marsteller veröffentlicht die Befragung von jungen Menschen aus 16 arabischen Staaten zum bereits neunten Mal.
Die zentralen Aussagen der Umfrage: Die arabische Jugend hat Angst vor Arbeitslosigkeit, dem Aufstieg des Islamischen Staates und fühlt sich nicht gut ausgebildet. Außerdem trauen viele ihrem Heimatland nicht zu, alles Notwendige für eine bessere Zukunft zu tun.
Kluft zwischen Golfstaaten und Levante enorm
Dabei ist auffällig, dass die Aussagen der jungen Erwachsenen je nach Herkunftsland weit auseinanderklaffen. Sind die Sorgen in den Golfstaaten vergleichsweise gering, stimmen in Jordanien, dem Libanon oder den Palästinensergebieten oft über 60 Prozent pessimistischen Aussagen zu. Das spiegelt auch die Einschätzung einer Publikation der Universität Durham wieder, dass man im Allgemeinen gar nicht von der arabischen Jugend sprechen kann.
Bürgerkrieg, Korruption und autokratische Strukturen dürften wohl die Gründe für den Pessimismus sein. Allerdings macht ein neuer Aspekt medial die Runde. Angeblich sinkt im Vergleich zu den Vorjahren das Vertrauen in den Westen, also die EU und USA.
Arab Youth Survey: Russland hui, USA pfui?
Immer weniger junge Menschen aus arabischen Staaten sehen demnach die USA als Idol oder Verbündeten ihres Landes. Stattdessen gelten die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien als starke Partner und Vorbilder für die Region. Eine Aussage wird momentan von den Medien besonders herausgehoben: Russland ist in der Befragung das erste Mal beliebter als die USA.
Russland ist für sehr, sehr, sehr wenige Menschen der Region Vorbild. Es ist eher eine externe Kraft, die man ernst nimmt, weil sie ein Machtvakuum in Syrien gefüllt hat. Im Gegenteil sind auch viele Menschen kritisch, was Russlands Rolle in Syrien angeht. – Christoph Dinkelaker, Journalist und Nahost-Kenner
Einen großen Einfluss auf die aktuelle Haltung der arabischen Jugend gegenüber Russland hat vermutlich der Syrien-Konflikt. Obwohl Syrer aufgrund des Bürgerkrieges gar nicht befragt worden sind, spiegelt der Arab Youth Survey den Einfluss Russlands in der Region wieder. Gegenüber den USA hat Russland eine konsequente Haltung.
Kern-Aussage: am liebsten reich und sicher
Auch der politische Wandel in Washington, etwa der Muslim Ban der Trump-Administration, könnte sich auf die Meinung junger arabischer Menschen ausgewirkt haben. Die Fragen, die im Arab Youth Survey vorkommen, stellen allerdings die Sehnsucht nach stabilen Lebensverhältnissen in den Vordergrund.
Das Wirtschafts- und Bildungssystem ist gar nicht am Arbeitsmarkt ausgerichtet. Es gibt einen ganz krassen Jugendüberhang und für diese Menschen keine berufliche Perspektive. Das ist der politischen Klasse anzukreiden. – Christoph Dinkelaker
Tatsächlich schätzt auch der Arab Human Development Report, herausgegeben von den Vereinten Nationen, die Lage der arabischen Jugend kritisch ein. Demnach kümmern sich die Regierungen zu wenig um die größte demographische Gruppe ihrer Region. Das ist für den Nahen Osten ein zusätzlicher destabilisierender Faktor.
Bei der Befragung der nicht unumstrittenen PR-Agentur sind etwa 3.500 Interviews mit 18–24-Jährigen geführt worden. Was im Arab Youth Survey steht und was die jungen Menschen in der arabischen Welt bewegt, erklärt Christoph Dinkelaker. Er ist Journalist, Gründer des unabhängigen Nahost-Blogs Alsharq und hat mit detektor.fm-Moderatorin Sara Steinert gesprochen.
Redaktion: Charlotte Muijs