In Deutschland entscheidet in den meisten Fällen nur ein Mann oder nur eine Frau über die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten.
Man muss der Person am Richterpult also absolut vertrauen können, immerhin bestimmt sie über ein Schicksal. Schwer gestört wurde dieses Vertrauen 2014 in Bayern, als einem Amtsrichter in Oberfranken enge Verbindungen zur rechtsradikalen Szene nachgewiesen werden konnten.
Das bayerische Justizministerium zeigte sich geschockt und entließ den jungen Richter sofort – denn der war noch auf Probe. Als Konsequenz wurde ein Gesetzesentwurf erarbeitet, der vorsieht, jeden bayerischen Richter in Zukunft vom Verfassungsschutz überprüfen zu lassen.
Bayern will Richter vorab vom Verfassungsschutz prüfen lassen https://t.co/mGTTjkCzNv
— MSchier (@mikeschier) 23. September 2016
Eignungsprüfung oder Gesinnungsprüfung?
Wer die deutsche Verfassung, das heißt das Grundgesetz nicht anerkennt und respektiert, der ist auch nicht für das Amt eines Richters geeignet, so die logische Schlussfolgerung in Bayern.
Ein Berufsverbot für Anhänger von verfassungsfeindlichen Ideen gab es in Deutschland schon mehrfach. 1950 beschloss die Bundesregierung unter Konrad Adenauer (CDU) im sogenannten „Adenauer-Erlass“, fortan Angehörigen von verfassungsfeindlichen Organisationen den Zutritt zum öffentlichen Dienst zu verweigern.
1972 verfügte schließlich Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) im „Radikalenerlass“, alle angehenden Beamten auf Verfassungstreue umfassend zu überprüfen. Nicht ganz unproblematisch, denn was „radikal“ ist und was nicht, lässt sich nicht wie eine mathematische Formel überprüfen.
Erst 13 Jahre später erklärte das Saarland als erstes Bundesland diese Praxis für beendet. Nach und nach folgten die anderen Bundesländer diesem Vorbild. Der Letzte im Bunde war der Freistaat Bayern. Dort dauerte es 23 Jahre bis zur Aufhebung des Radikalenerlasses.
Standardisiertes Misstrauen für Richter?
Über tausend Personen wurde in dieser Zeit ein Berufsverbot ausgesprochen. Es reichte von Lehrern über Professoren bis hin zu Richtern. Keine der betroffenen Personen musste dafür jedoch ein Gesetz gebrochen haben. Der Verfassungsschutz agiert noch vor der Staatsanwaltschaft. Er ermittelt Informationen über „potentielle“ Straftaten.
Die Daten, die der Verfassungsschutz sammelt, haben noch gar nichts mit irgendwelchen Straftaten zu tun. Das ist also alles im Vorfeld einer Strafverfolgung, sonst läge es ja bereits bei der Staatsanwaltschaft. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt
Es geht also beim Gesetzesentwurf des bayerischen Justiz- und Innenministeriums alleine um präventive Maßnahmen. detektor.fm-Moderator Christian Eichler hat mit Rechtsanwalt Achim Doerfer über die Hintergründe und Folgen des Vorhabens aus Bayern gesprochen.