In Boston sind am Montag drei Menschen ums Leben gekommen, als am Rande des ältesten Marathonlaufes der Welt Bomben in die Luft gingen. Zwei davon detonierten unmittelbar vor der Tribüne im Zuschauerraum. Unter den Toten ist auch ein acht Jahre alter Junge, hunderte Zuschauer wurden verletzt. Es ist in den USA seit dem 11. September 2001 das erste große Bombenattentat – und das Land ist geschockt. Die Behörden sind ratlos – denn bislang tappen Sie bei ihren Ermittlungen offenbar völlig im Dunkeln.
In einer öffentlichen Ansprache hat US-Präsident Barack Obama noch am Montag angekündigt, alles zu tun, um die Tat bald aufzuklären.
We still do not know who did this or why. And people should not jump to conclusions before we have all the facts. But, make no mistake – we will get to the bottom of this and we will find out who did this. We will find out why they did this. Any responsible individuals, any responsible groups will feel the full weight of justice. – Barack Obama
Über das Bombenattentat in Boston haben wir mit detektor.fm Reporterin Bettina Dlubek in Washington gesprochen.
Der Amerikaner Bruce Mendelsohn lebt in Boston. Er war am Montag im sechsten Stock des Hauses, vor dem die Bomben detonierten. Eigentlich wollte Bruce Mendelsohn mit seinen Kollegen eine Büroparty feiern und sich den traditionellen Boston-Marathon ansehen. Nach der Explosion versuchte er vor Ort sofort zu helfen.
Als der Rauch durchs Fenster rein gezogen ist, habe ich Schießpulver gerochen – und da wusste ich sofort, dass das eine Bombe war und ich sofort etwas tun musste. – Bruce Mendelsohn
Wir haben mit ihm gesprochen und ihn gefragt, wie er das Attentat erlebt hat.
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Wie geht es Ihnen jetzt? Mit welchen Gedanken sind Sie heute morgen aufgewacht?
Bruce Mendelsohn: Heute morgen scheint die Stadt eigentlich schon wieder normal zu sein. Die Leute sind am Charles-River laufen gegangen, die Boote lagen ruhig an ihren Anlegestellen, eigentlich war es ein sehr schöner Morgen, aber es gab kaum Verkehr. Gestern Nachmittag gleich nach dem Attentat kam es mir vor, als wenn die Menschen die Stadt ganz schnell verlassen wollten. Als ich abends wieder zurück in die Stadt kam, war es hier wie in einer Geisterstadt.
Wie haben Sie den Moment der Explosion erlebt?
B.M.: Ich war bei einer Party in einem Bürogebäude. Von dort konnten wir die Ziellinie gut beobachten. Ich saß auf einem Sofa und habe mir die Zielläufer angesehen. Dann habe ich einen sehr lauten Knall gehört, die Erschütterung durch die Explosion hat mich vom Sofa geworfen. Meinem Bruder habe ich gesagt, er soll alle Partygäste hinter das Haus bringen. Als alle Leute in Sicherheit waren, bin ich die Treppe runter auf die Straße gerannt. Dort herrschte absolutes Chaos. In einer Minute war ich an den Explosionsstelle. Da waren überall Glassplitter. Viele Leute hatten Verletzungen an den Beinen. Ich habe geholfen die Leute vom Unglücksort weg zu bewegen. Ich habe auch eine Mutter und ihren Sohn zusammengeführt. Dann habe ich bei der medizinischen Grundversorgung geholfen – das kann ich, weil ich früher bei der Army war. Danach habe ich der Polizei dabei geholfen die Sicherheitszone einzurichten, so dass keiner mehr in den Bereich kommen konnte, weil ja noch einige Bomben entschärft werden mussten.
Wann war Ihnen klar, das das kein Unfall sein kann?
B.M.: Wie gesagt, weil ich ein Veteran bin, weiß ich wie diese Dinger klingen, wie sie riechen und wie sie sich anfühlen. Als der Rauch durchs Fenster rein gezogen ist, habe ich Schießpulver gerochen und da wusste ich sofort, dass das eine Bombe war und ich sofort etwas tun musste.
Sie haben vor Ort sofort versucht zu helfen, was konnten Sie tun?
B. M.: Ich habe gedacht, das Beste ist es den Leuten aus der Gefahrenzone zu helfen, damit wir uns dann um die Verletzten kümmern können. Diejenigen die noch laufen konnten, denen haben wir rausgeholfen, die die nicht weg konnten haben wir an Ort und Stelle versorgt und sie dann zu den Krankenwagen gebracht. Innerhalb von 15 Minuten war der Ort vollkommen abgesichert.
Wie gegenwärtig war die Gefahr von Anschlägen in Boston für Sie?
B.M.: Mit so was hat echt keiner gerechnet. Im Nachhinein würde ich sagen, kann das überall passieren. Wenn so etwas in Boston passieren kann, kann das auch in Bremerhaven, Bonn oder Berlin passieren. Das kann überall passieren, wo Menschen versuchen friedlich zu leben. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag, die Leute sind gelaufen. Um ehrlich zu sein, hab ich mich nach dem ersten Knall gefragt, ob jemand Berühmtes durchs Ziel gelaufen ist und sie darum einen Salutschuss abgefeuert haben.
Wie hat sich das jetzt nach dem Attentat verändert?
B.M.: In der Luft liegt eine Traurigkeit, aber ich spüre auch einen Widerstand. Eine Widerstandsfähigkeit, so ähnlich wie es die Zeugen vom 11. September beschrieben haben. Oder nach den Anschlägen in London und Barcelona. Solche Katastrophen bringen die Welt solidarisch zusammen, egal von wem sie ausgelöst wurden.
Vielen Dank für das Gespräch.