Eigentlich ist die Provinz Reggio nell’Emilia ein beschauliches, eher unbekanntes Fleckchen nahe Bologna. Doch mit dem Beginn der größten Mafia-Prozesse in der norditalienischen Geschichte blickt die ganze Welt interessiert dorthin. Insgesamt 147 Angeklagte, darunter auch der Fußballweltmeister Vincenzo Iaquinta, müssen sich wegen organisierter Kriminalität im Zusammenhang mit der ‚Ndrangheta vor dem Gericht verantworten. Weitere 71 Mafiosi sitzen in Bologna auf der Anklagebank.
Mafia heute: weiße Kragen, schwarze Seelen
Der Prozess zeigt, dass die ‚Ndrangheta längst nicht mehr ein Problem Süditaliens ist. – Laura Garavini, italienische Abgeordnete
Die Prozesse sind ein wichtiger Schritt gegen den Clan der ‚Ndrangetha. Sich selbst bezeichnen die ‚Ndranghetisti als „heilige Gesellschaft“. Einige Italiener mögen diese Bezeichnung unterstützen, denn die Mafiosi bieten sich in krisengeschüttelten Gebieten Italiens oft als Investor oder Arbeitgeber an. So nutzte die ‚Ndrangheta beispielsweise das große Erdbeben 2012 aus, um sich mit Firmen auch in Norditalien zu integrieren. Neben dem Baugeschäft agiert die kalabrische Organisation auch als Großhändler für Kokain und Waffen. Auf diese Weise setzt sie jährlich um die 53 Milliarden Euro um.
Das Ende des großen Schweigens?
Die Machenschaften der Kriminellen sind in Italien lange ignoriert worden, denn Norditalien gilt als besonders fortschrittlich und ist wirtschaftlich sehr gut aufgestellt.
Die Prozesse in der norditalienischen Region Emilia-Romagna sind jedoch nicht die einzigen, die derzeit stattfinden. Auch in Rom, mittlerweile auch als „Mafia Capitale“ bekannt, wird gegen die Mafia prozessiert, was die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Das Schweigegelübde Omertà, dass man das also deckt und sogar als was Positives sieht, ist einer der Gründe, warum die Mafiaorganisationen weiterhin so viel Macht ausüben können. Und da geht es darum, das Schweigegelübde zu brechen. – Laura Garavini
Doch die Mafia zeigt sich nicht nur als italienisches, sondern durchaus auch als deutsches Problem. Ungefähr 80 Prozent der erwirtschafteten Gelder der ‚Ndrangheta sollen in Deutschland, besonders in Baufirmen, gewaschen werden. Die Bundesrepublik gilt als komfortabler Standort, da den Ermittlern durch die deutsche Gesetzgebung oft die Hände gebunden sind. In der Republik herrscht bislang ein großes Schweigen.
Warum es so wichtig ist, das große Schweigen der Mafia zu brechen, und wie man gegen die organisierte Kriminalität in Deutschland vorgehen sollte, hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit der italienischen Abgeordneten Laura Garavini besprochen. Sie ist zudem Mitbegründerin der Initiative „Mafia? Nein Danke!“.
Redaktion: Johanna Siegemund