Wer die 335 Einwohner von Schnackenburg treffen möchte, der nimmt die Bundesstraße 493, den „Alten Postweg“ oder die Elb-Fähre. Das kleine gut erhaltene Städtchen im äußersten Osten Niedersachsens an der Grenze zu Brandenburg und Sachsen-Anhalt hat häufig mit Nebel zu kämpfen und nicht viele Attraktionen: Zwei Gaststätten, einen Binnenhafen und das Grenzlandmuseum.
Rund 10.000 Besucher informieren sich dort jährlich über die deutsch-deutsche Teilung. In dieser Zeit spielte Schnackenburg noch eine wichtige Rolle, war es doch der letzte westliche Hafen vor der DDR. Alle Schiffe nach Berlin, mussten hier durch. Jürgen Bethge leitet das Grenzlandmuseum und hat selbst früher beim bundesdeutschen Zoll gearbeitet:
Damals war die Wirtschaftkraft noch durch die Zollfamilien viel größer. Außerdem haben die Schiffer, die nach Berlin musste immer hier eingekauft. Ja und das ist jetzt alles weggebrochen. (Jürgen Bethge, stellvertretender Bürgermeister Schnackenburg)
Mittlerweile kämpft Schnackenburg mit der Abwanderung und der daraus resultierenden Überalterung. Viele Häuser stehen leer, der Immobilienmarkt ist total zusammengebrochen. Fördergelder als Zonenrandgebiet gibt es auch nicht mehr. Dabei war die Stadt bis 1989 ein beliebtes Ausflugsziel. Täglich kamen zwei voll besetzte Busse. Konnte man doch in Schnackenburg die Wasser- und auch die Landgrenze der DDR sehen.
{pagebreak}
Auf der anderen Seite der Grenze sind 1961 Tatsachen geschaffen worden. Bömenzien liegt auf der ehemaligen Ostseite. Die Grenze zur BRD war spätestens ab den 1970er Jahren nahezu undurchlässig und das Sperrgebiet wurde zu einem Hochsicherheitstrakt. Andreas Dennoff beschreibt das Leben im Sperrgebiet.
Wir haben eigentlich in einer eigenen Republik gewohnt mit eigenem Kindergarten und eigener Schule. Ohne Passierschein war hier aber gar nichts zu haben. Ohne Verlobungsschein war beispielsweise kein Besuch von Freundin oder Freund möglich.
Andreas Dennoff selbst ist als Einheimischer gut mit den Grenzsoldaten ausgekommen. Hatte man doch tagtäglich mit ihnen zu tun. Ein mulmiges Gefühl bekam Andreas Dennoff erst Mitte der 80er Jahre. Da wurde er mitten in der Nacht auf dem Weg nach Hause kurz hinter Bömenzien angehalten. „Da standen die Soldaten mit gezogener Waffe vor uns. Das war schon beängstigend.“, erinnert sich Dennoff.
Nur wenige Kilometer weiter in Arendsee kämpft Bürgermeister Norman Klebe gegen Abwanderung und Leerstand. Er will den Luftkurort Arendsee zum Rentnerparadies machen.
Rentner aus anderen Regionen sollen den jungen Leuten Arbeit bieten. Direkt an der ehemaligen Grenze hoffen die Menschen in der Altmark und im Wendland auf eine Kehrtwende. Arendsees Bürgermeister Klebe setzt dabei auf Besucher des ehemaligen Grenzstreifens, dem Grünen Band, und in Schnackenburg verspricht man sich viel von den Touristen auf dem Elberadweg.
{pagebreak}
Achim Walter steht auf einem Weg aus Betonplatten, inmitten einer Wiese am Ortsausgangsschild von Hötensleben. Hinter ihm: Stacheldraht, auf einem Hügel einige hundert Meter entfernt ein Betonturm.
Weit und breit unendlich viel Natur und das Städtchen Hötensleben mittendrin. An genau dieser Stelle war noch vor 20 Jahren Deutschland brutal geteilt. Oben auf dem Hügel war ein Minenfeld, rechts daneben Hundelaufanlagen. Hötensleben war kein gewöhnliches Stückchen Mauer. Weil der Ort extrem nah an der Grenze liegt, war sie hier verstärkt: ein zusätzlicher Sichtschutzzaun, Panzerhöcker, kürzere Abstände zwischen den Beobachtungstürmen – und ein verbreitertes „Sicht- und Schußfeld“. Nachts war das Areal taghell beleuchtet.
Diese Scheußlichkeit ist Orts- und irgendwie auch Weltgeschichte. Die Menschen hatten den Kalten Krieg hier jahrzehntelang direkt vor der Tür. Als die Mauer fiel, wollten das viele einfach nur vergessen. Es gab Streit darüber, ob die Mauer hier erhalten werden soll. Heute ist Hötensleben das besterhaltene Stück Mauer in Deutschland. Achim Walter ist noch immer Vorsitzender des Grenzdenkmalvereins. Er empfindet seine Arbeit als Vermächtnis, ja auch als seine Pflicht.