Praktika sollen jungen Menschen ermöglichen, Berufserfahrung zu sammeln. Sie sind der klassische Weg, um in ein Berufsfeld hineinzuschnuppern oder Kontakte zu knüpfen. Das bringt oft mehr, als ein Studium: echte Erfahrung auf dem beruflichen Parkett nämlich – und die Chance, eigene Fähigkeiten, Talente und Grenzen auszutesten.
Große Firmen haben es hier in der Regel leichter, dank eigens dafür zuständigen Kolleginnen und Kollegen, die für die Betreuung und Ausbildung der Praktikanten zuständig sind, und routinierten Abläufen. Der Nachteil: richtig selbst machen dürfen Praktikanten hier oft nicht – und verbringen deshalb viel Zeit am Kopierer und an der Kaffeemaschine.
Bei kleinen Firmen ist das meist anders. Hier darf selbst gearbeitet und gelernt werden. Der Nachteil: für kleine Betriebe ist ein Praktikant oft auch betreuungsintensiv, muss angelernt, beaufsichtigt und mit Feedback versorgt werden.
Und so stellt sich die alte Frage seit Jahren immer wieder neu: sollte, müsste für Praktika generell Geld gezahlt werden? Oder ist die Ausbildungsleistung eine angemessene Entlohnung?
Lehrjahre sind keine Herrenjahre
Nun haben sich Praktikanten weltweit zu einem Streik vereint. Ein besonders prominentes Beispiel war der Protest in Brüssel. Denn auch bei der EU gibt es unbezahlte Hospitationen.
Vor allem kleine Firmen versuchen, dem Ansinnen von Praktikanten entgegenzukommen, indem sie Teilzeitlösungen anbieten oder Praktika auf einige Wochen begrenzen. Doch es gibt auch die andere Seite, die schwarzen Schafe: Betriebe, die ein Minimum von 40 Stunden pro Woche erwarten und reguläre Jobs durch Praktika ersetzen.
Es scheitert eben immer wieder an Argumenten, dass gesagt wird: Die wollen das auch ohne Bezahlung machen, denen geht es überhaupt nicht ums Geld. – Terry Reintke, EU-Abgeordnete der Grünen
Praktikanten in Brüssel
Praktikumsstellen bei der Europäischen Union umweht ein gewisses Prestige. Wer seine Erfahrung bei einer der Institutionen in Brüssel gesammelt hat, dem winken gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Doch selbst bei der nicht eben budgetschwachen EU wird bei der Praktikumsvergütung geknausert.
Der Europäische Auswärtige Dienst etwa beschäftigt an die 600 unbezahlte Interns aus aller Welt. Dabei ist das Leben in Städten wie Brüssel sehr teuer. Nicht jeder kann die hohen Lebenshaltungskosten eines mehrmonatigen Praktikums aufbringen. Erst recht nicht dann, wenn ein regelmäßiges Einkommen fehlt. Wer also nicht ohnehin über einen entsprechenden Hintergrund verfügt, kann das prestigeträchtige EU-Praktikum vergessen.
Einige Abgeordnete im Europaparlament sehen das Problem ähnlich wie die streikenden Praktikanten und haben sich deshalb mit ihnen solidarisiert. Eine von ihnen ist die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke. Über die Lage der Praktikanten hat detektor.fm-Moderatorin Marie Landes mit beiden gesprochen.
„Das reicht doch“
Auch der EU-Parlamentarier und Satiriker Martin Sonneborn findet die unbezahlten Praktika im Brüssler Europaparlament nicht so pralle. Er bezahlt seine Praktikanten – hat aber auch gleich drei.
Wie er zum Praktikantenstreik steht und welche Grusel-Geschichten er so von den Praktikanten anderer Parlamentarier hörte, verrät Sonneborn im Interview mit detektor.fm-Moderatorin Marie-Kristin Landes (das am Ende leider in ein unwürdiges Bewerbungsgespräch abkippt).
Redaktion: Alexander Goll