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Foltervorwürfe | Middelhoff alle 15 Minuten geweckt

„Das kann man Menschen nicht zumuten“

Der ehemalige Manager Thomas Middelhoff beklagt, dass er während seiner Untersuchungshaft um den Schlaf gebracht worden ist – vier Wochen lang sollen ihn Beamte der Justizvollzugsanstalt Essen alle 15 Minuten geweckt haben. Die JVA verweist auf die Suizidgefahr des gefallenen Arcandor-Chefs. Das Vorgehen ist zumindest prinzipiell legal.

Der tiefe Fall des „Big T“

Thomas Middelhoff ist vor seiner Anklage der Untreue und Steuerhinterziehung ein erfolgreicher Unternehmer gewesen. Er stand dem Weltunternehmen Bertelsmann vor und führte Arcandor, er wurde von einigen „Big T“ genannt. 2007 verlieh ihm die Universität Bayreuth sogar den „Vorbildpreis“. Dann folgt 2014 die Anklage wegen Untreue und Steuerhinterziehung. Er wird schuldig gesprochen und verurteilt.

Seine Untersuchungshaft hat Middelhoff von November bis Dezember 2014 in der Justizvollzugsanstalt Essen abgesessen. Nun klagt Middelhoff, dass er während dieser Zeit massivem Schlafentzug ausgesetzt gewesen sei. 28 Tage lang sollen ihn Justizbeamte am Schlaf gehindert haben. Alle 15 Minuten habe man seine Zelle betreten und das Licht eingeschaltet. Die JVA rechtfertigt dieses Vorgehen damit, dass man einen Suizid Middelhoffs abwenden wollte. In seinem Fall habe die Gefahr des Bilanz – Selbstmords bestanden.

Suizid im Gefängnis

Tatsächlich sind Suizide im Gefängnis ein großes Problem. Denn die Justizbeamten sind gesetzlich verpflichtet, einen Selbstmord zu verhindern. Das Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen schreibt in Paragraph 44 vor:

Für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der Untergebrachten ist zu sorgen. – Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft in NRW

Suizide kommen vor allem während der Untersuchungshaft immer wieder vor. 2014 haben sich 53 Menschen im Gefängnis das Leben genommen, mehr als die Hälfte davon begingen während der Untersuchungshaft Suizid.

Prävention

Die Justizvollzugsbeamten haben mehrere Möglichkeiten, einen Selbstmord unter Häftlingen zu verhindern. Das Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen erlaubt in Paragraph 69 Absatz 2 als besondere Sicherheitsmaßnahme die Beobachtung von Untersuchungsgefangenen. Dazu zählt auch alle 15 Minuten zu überprüfen, ob der Gefangene noch lebt. Andere Mittel sind Doppelzellen, Telefon-Seelsorge, eine Videoüberwachung der Zelle und sogenannte Suizidpräventionsräume.

Menschenrechtsverletzung

Die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast, hat das Vorgehen der Justizvollzugsanstalt Essen im Gespräch mit detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt als Verletzung der Menschenrechte Middelhoffs bezeichnet.

Renate Künast - ist die Vorsitzende des Bundesausschusses für Recht im Bundestag. Foto: privat

ist die Vorsitzende des Bundesausschusses für Recht im Bundestag. Foto: privat
Ich finde richtig, dass man einfach zur Kenntnis nimmt, Herr Middelhoff hat auch Menschenrechte. Und es weist im Übrigen darauf hin, wie es vielen anderen Gefangenen in Deutschland ergeht.Renate Künast
Renate Künast zu den Foltervorwürfen Thomas Middelhoffs 05:17

Die Überwachung von Suizidgefährdeten Inhaftierten ist keine Seltenheit. Katharina Bennefeld-Kersten hat selbst zehn Jahre lang eine Justizvollzugsanstalt geleitet und forscht zum Thema Suizid im Gefängnis. Sie erklärt, welche Alternativen es zum Wecken im 15-Minuten-Takt gibt, um einen Selbstmord zu verhindern.


 

Suizidprävention in deutschen Gefängnissen 05:26

Redaktion: Lisa Hänel

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