Kaum erforscht
Dass die rechtliche Lage für LGBTQ-Personen in der Sowjetunion schwierig war, ist den meisten bekannt. Homosexualität unter Männern war eine Straftat, Frauen drohte eine psychiatrische Behandlung. Doch wie sah die gesellschaftliche Akzeptanz, das alltägliche Leben queerer Menschen aus? Darüber weiß man bisher sehr wenig. Zum einen ist das Forschungsgebiet noch recht neu. Erst seit fünf bis sechs Jahren hat man angefangen, sich mit LGBTQ im Sozialismus und in der Sowjetunion zu beschäftigen. Zum anderen ist es schwierig, Personen zu finden, die über ihre Erfahrungen sprechen wollen.
Oft sind das ältere Menschen, die haben keine Verbindung zur LGBTQ-Szene. Und vielleicht identifizieren sie sich noch nicht mal als lesbisch oder queer. Wenn man mit ihnen redet, sagen sie : “Ja, wir haben zusammen gelebt”, aber sie würden nicht sagen: “Wir sind ein lesbisches Paar”. – Galina Yarmanova, Kiew-Mohyla-Akademie
Hass auf Gender Studies
Abgesehen davon gibt es momentan aber auch eine starke Bewegung gegen Gender Studies. In Ungarn zum Beispiel hat Viktor Orbán die Gender Studies an ungarischen Universitäten gestrichen. Doch nicht nur in osteuropäischen Ländern wie Ungarn oder Polen, sondern auch in Frankreich, in den Niederlanden und in Deutschland sprechen rechtsnationale Kräfte und Parteien oder auch Kirchen immer wieder von einem „Gender-Wahn“. Die traditionelle Familie sei damit in Gefahr. Das wirkt sich auch auf die Universitäten aus. Es fehlt sowohl an allgemeinem Interesse als auch an Forschungsgeldern.
Die Forschung, die es zu queerem Leben in der Sowjetunion gibt, bezieht sich meistens nur auf Russland, auch wenn die Quellen vielleicht aus Weißrussland oder der Ukraine kommen. Zudem sind es meist westliche Publikationen auf Englisch, die sehr teuer sind, sodass die allgemeine Bevölkerung kaum Zugang zu den Forschungsergebnissen hat.
Galina Yarmanova hat mit detektor.fm-Redakteurin Amelie Berboth über LGBTQ-Lebensweisen in der späten Sowjetunion in der Ukraine gesprochen und erzählt, wieso die Gender Studies immer weniger akzeptiert werden. Davon berichtet Amelie Berboth detektor.fm-Moderatorin Lara-Lena Gödde.