Wer in Deutschland gesetzlich krankenversichert ist, für den gilt das Solidarprinzip. Jeder und jede Versicherte hat im Krankheitsfall ein Anrecht auf die gleichen medizinischen Leistungen, unabhängig von der Höhe der monatlichen Beiträge. Wer schwer erkrankt, aufwendig operiert werden muss oder teure Medikamente braucht, wird von der Solidargemeinschaft unterstützt. Das gilt auch für Menschen, die bewusst Gesundheitsrisiken in Kauf nehmen: weil sie Zigaretten rauchen oder Alkohol trinken, weil sie Sportarten betreiben, bei denen man sich leicht verletzen kann, oder weil sie sich ungesund ernähren.
Wenn Impfgegner Solidarität einfordern
Wer sich gegen Corona impfen lässt, handelt solidarisch, weil er andere Menschen schützt. Manche Impfgegnerinnen und -gegner leiten aus dem Solidarprinzip allerdings ein Argument gegen besondere Vorschriften für Ungeimpfte ab. Wenn Zigaretten, Alkohol und Sahnekuchen weiterhin erlaubt sind, warum darf Ungeimpften dann der Zutritt zum Café oder Konzert verboten werden? Warum ist es rechtlich in Ordnung, dass Ungeimpfte ab dem 1. November keine finanzielle Unterstützung vom Staat bekommen, wenn sie in Quarantäne müssen? Wer selbstverschuldet krank wird und dadurch Kosten für das Gesundheitssystem verursacht, wird ja schließlich nicht sanktioniert.
Auf den ersten Blick klingt dieses Argument überzeugend. Doch letztlich ist der Vergleich schief, da freiwillig Ungeimpfte nicht nur sich selbst, sondern vor allem andere gefährden. In Grams’ Sprechstunde spricht Natalie Grams-Nobmann mit dem Juristen Christian Nobmann über das Solidarprinzip in der Medizin und über die Frage, warum wir aus guten Gründen kein Sanktionsprinzip haben.