Das ist kein Scherz! – Rainer Süßmuth
Die Ankündigung des „Europäischen Mauerfalls“ klingt befremdlich und irritierend. Per Crowdfunding sammelt das Zentrum für politische Schönheit seit Anfang Oktober Geld, um eine Busfahrt nach Bulgarien zu finanzieren. Im Begleittext erläutern sie ihren Plan:
Dort werden wir zum 25. Jahrestag des Mauerfalls mit dem Abbau der europäischen Grenzanlagen beginnen. – Ein Akt politischer Schönheit und die einzige Form, in der sich das Jubiläum würdig ‚feiern‘ lässt.
Dazu gibt es schematische Darstellungen der Grenzanlage und einen „Packzettel“ mit den nötigen Utensilien, um den Zaun zu zerstören.
Mauerfall-Jubiläum als Mahnung
Der 9. November bildet den passenden Rahmen für diese Aktion. Während Deutschland den Fall der tödlichen Mauer feiert und ihrer Opfer gedenkt, sterben täglich Menschen bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen. Sie ertrinken vor Lampedusa oder in der Ägais oder verdursten bereits bei ihrem Marsch durch die Sahara, lange bevor sie überhaupt die hochgerüstete EU-Außengrenze in der spanischen Enklave Melila an der marrokanischen Küste erreichen.
Die dunkle Seite Europas
Die Meldungen über solche Tragödien geistern zwar wöchentlich durch die Medien, echtes Interesse scheint die Abschottungspolitik der Europäischen Union jedoch selten zu erzeugen. Auch darum suchen die Aktivisten die Öffentlichkeit. Europa und gerade die Deutschen sollen endlich hinsehen: auf das Elend jenseits des Zauns und eine Grenze mitten in Europa, die 25 Jahre nach dem 9. November 1989 jährlich mehr Menschenleben fordert als die Mauer in den 28 Jahren ihres Bestehens.
Vor ihrer Abfahrt am Freitag hat Rainer Süßmuth, der an der Fahrt teilnimmt, mit uns über die Beweggründe für diese Form des Protest, die Vorbereitungen der Aktivisten und den Wunsch nach Aufmerksamkeit für die dunkle Seite Europas gesprochen.