Vernichtungslager in Weißrussland
Müll, Zigarettenstummel und leere Wodkaflaschen fallen zuerst auf. Das ehemalige Vernichtungslager Maly Trostinez in Weißrussland ist 500 Meter von einer Müllkippe entfernt. Von außen lässt wenig darauf schließen, dass hier mindestens 60.000 Menschen ermordet wurden. In der weißrussischen Geschichtsschreibung ist sogar von bis zu 200.000 Opfern die Rede.
Das Lager liegt 12 km südlich von Minsk und diente zur Deportation der Juden aus der weißrussischen Hauptstadt. Es war das östlichste Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Neben Maly Trostinez gab es mit Osaritschi ein weiteres Konzentrationslager im Südosten der heutigen weißrussischen Staatsgrenzen.
Fehlende Aufarbeitung
Der Zweite Weltkrieg kostete rund ein Viertel der Bevölkerung Weißrusslands das Leben. Trotzdem schaffte es die historische Aufarbeitung nicht über die Schreibtische von Minsk hinaus. Die Pläne einer Gedenkstätte in Maly Trostinez wurden in den 50er-Jahren nicht umgesetzt. Stattdessen stehen dort kleinere Obelisken als Gedenktafeln.
Kollegen aus Weißrussland antworten mir immer, sie mussten das Land erst wieder aufbauen. – Adam Kerpel-Fronius, Mitarbeiter der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Einen weiteren Grund für fehlendes Interesse an der Instandhaltung von Maly Trostinez sieht Adam Kerpel-Fronius in der Glorifizierung von Partisanen und der Roten Armee in der Region um Minsk. Ihnen zu Ehre wurde das Museum des Großen Vaterländischen Krieges errichtet.
Rückbesinnung auf die Vergangenheit
Adam Kerpel-Fronius erkennt in den letzten Jahren jedoch ein Umdenken. Mit zunehmender Berichterstattung seit den 80ern ist auch das Interesse der Zivilbevölkerung gewachsen. Auch mehrere Vereine aus Deutschland und Österreich beteiligten sich an der Aufarbeitung von Maly Trostinez. Schließlich legte der Präsident von Weißrussland, Aljaksandr Lukaschenka, 2014 den Grundstein für eine Gedenkstätte, die er ein Jahr später auch eröffnete.
Die Leute gehen spazieren und lesen die Informationstafeln. Das hat eine enorme Auswirkung auf die Bevölkerung, wenn sie wissen, was an diesem Ort geschehen ist. – Adam Kerpel-Fronius
Bereits 2013 leitete Adam Kerpel-Fronius vor Ort eine Austellung über die Opfer des Vernichtungslagers Maly Trostinez. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und im Gespräch mit detektor.fm-Moderator Alexander Hertel.
Redaktion: Paul Schumacher