Juden gegen Juden
Die israelische Gesellschaft ist nicht nur in ein jüdisches und ein palästinensisches Lager gespalten. Auch die Juden selbst gehen in ihren Meinungen weit auseinander. Liberale, säkulare Juden, konservative Ultraorthodoxe und wildentschlossene Siedler stehen sich dabei gegenüber. Wie unversöhnlich das sein kann, zeigen auf dramatische Art die jüngsten Ereignisse von Jerusalems Gay Pride Parade. Hier ist es dem radikalen ultraorthodoxen Juden Yishai Shlissel gelungen sechs Teilnehmer, ebenfalls Juden, mit dem Messer zu attackieren. Die 16-jährige Shira Banki ist wenige Tage später im Krankenhaus an ihren Verletzungen gestorben.
Jüdische Extremisten stehen auch wegen des Brandanschlags auf ein palästinenischen Wohnhaus im westjordanischen Dorf Duma, bei dem ein Kleinkind starb, in der Kritik. Dabei lassen sich jüdische Radikale vor allem zwei verschiedenen Gruppen zuordnen: einerseits sind da die Ultra-Orthodoxen, andererseits die fundamentalistischen Siedler.
Ultra-Orthodoxe und Siedler bilden den radikalen Kern
Erstere leben ein Leben, welches sich streng an der heiligen Schrift orientiert. Dabei entfernen sie sich deutlich vom Rest der israelischen Gesellschaft und das mit staatlicher Duldung. Dass ultraorthodoxe Juden zum Beispiel größtenteils vom zwei- bis dreijährigen Wehrdienst befreit sind, stößt bei vielen säkularen Israelis auf Unverständnis. Der Anteil der Ultra-Orthodoxen an der Gesamtbevölkerung wächst seit Jahren und sie verhalten sich aggressiv gegen Andersgläubige. Ihre Rolle wird in der Gesellschaft immer öfter diskutiert.
Die zweite Gruppe radikaler Juden sind die Siedler: Sie bebauen palästinenische Gebiete und gründen ihre Existenzen oft ohne Rücksicht auf palästinensische Ansprüche. Die Palästinenser fühlen sich übergangen und wehren sich gegen die zunehmende Zurückdrängung durch jüdische Siedler. Die Folge ist, dass die Siedlungen nur unter hohen Sicherheitsmaßnahmen erhalten werden können. Auch sie werden vom israelischen Staat unterstützt. Trotz allem kommt es oft zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und Palästinensern. Die Aggressivität scheint hier beidseitig zu sein: zumindest rechnen viele Beobachter den jüngsten Brandanschlag in Duma jüdischen Siedlern an.
Radikalität reicht bis in die Regierung
Nun deutet sich in der Regierung jedoch ein Umdenken an. Die sogenannte ‚Administrativhaft‘, eine mehrmonatige Inhaftierung ohne Anklage, ist bis jetzt nur für Palästinenser angewandt worden. Premier Netanjahu hat jetzt angekündigt auch jüdische Terroristen mit dieser Methode zu verhaften. Dass die aktuelle Regierung den Radikalen aber die Unterstützung vollends entzieht, ist kaum zu erwarten. Immerhin ist sie selbst eine rechte, konservative Regierung: Spitzenpolitiker wie der Wirtschaftsminister Naftali Bennett zum Beispiel vertreten vehement die Siedlungsidee.
Wo radikale Gruppen in der jüdischen Gesellschaft stehen und inwiefern die israelische Gesellschaft selbst subtil radikal ist, darüber hat detektor.fm-Moderator Andreas Bischof mit Claudia Baumgart-Ochse, Mitarbeiterin des Instituts für Friedens- und Konfliktforschung gesprochen.
Redaktion: Richard Hees