Gerichtsurteile sind im deutschen Fernsehen Mangelware, denn der Paragraph 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes verbietet das Filmen während der Verhandlung und Verkündung. Die einzige Ausnahme bildet das Bundesverfassungsgericht. Ihm sollen nach einem Vorschlag des Bundesjustizministeriums bald aber auch die fünf obersten Bundesgerichte folgen. Hier ist bisher nur das Anfertigen von Notizen per Stift und Papier erlaubt. Bundesrichter sehen diese Neuerung kritisch.
Bundesrichter im Rampenlicht? Lieber nicht.
Im Mai 2015 hat sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zeitgemäße Neufassung des § 169 GVG“ dafür ausgesprochen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen dahingehend zu ändern – eine Forderung, die auch Justizminister Heiko Maas unterstützt. Doch bei den betreffenden Bundesrichtern selbst trifft der Vorstoß weitestgehend auf Widerstand.
Zu groß seien die Risiken: von der Verletzung der Privatssphäre der Richter über eine Beeinflussung der Urteilsfindung bis hin zur Bloßstellung einzelner Robenträger, die der neuen Aufmerksamkeit in Form von Kameras nicht gewachsen wären.
Die Befürworter einer Auflockerung des Paragraphen 169 verlangen zudem die Einführung eines Nebenraums zur Tonaufzeichnung, wenn der Fall von besonderem Interesse ist. Bei historisch bedeutsamen Prozessen soll sogar eine komplette Dokumentation erlaubt sein.
Europa-Vergleich: Urteile vor der Kamera nicht ungewöhnlich
Schaut man sich in Europa um, ist die Rechtslage diesbezüglich von Land zu Land unterschiedlich. Während Frankreich und Österreich ebenfalls keine Aufnahmen zulassen, konnte Spanien immerhin der Prozess rund um die Terroranschläge von 2004 verfolgt werden. In Italien und den Niederlanden sind Ton- und Filmaufnahmen dagegen erlaubt.
Warum Bundesrichter gegen Kameras beim Urteilsspruch sind und welche Möglichkeiten Journalisten überhaupt haben, um einen Prozess zu dokumentieren, hat detektor.fm-Moderatorin Maj Schweigler Rechtsanwalt Achim Doerfer gefragt.
Redaktion: Markus Vorreyer