Eine Richterin wird wegen Rechtsbeugung in zehn Fällen für schuldig befunden. Und deswegen weiß heute jeder, der sich die Urteilsbegründung durchliest, dass sie mit der Saugglocke auf die Welt geholt wurde, dass ihr Schulranzen unordentlich war und dass sie während ihres Studiums ein Taschenbuch von der Mutter geschenkt bekam, wenn eine Klausur mit „vollbefriedigend“ bestanden wurde.
Was ist zu viel?
Eine Urteilsbegründung gibt immer tiefe Einblicke in das Gefühls- und Privatleben einer Person. Das ist darin begründet, dass in einer Begründung alles, was zum Urteil beigetragen hat, dargelegt werden muss. Und natürlich lassen sich Charakter und die Zeit des Aufwachsens da nicht komplett ausblenden. Dennoch hat die oben beschriebene Urteilsbegründung in Juristen- und Juristinnen-Kreisen für Empörung gesorgt. Es wirft die Frage auf, wie intim eine Urteilsbegründung sein darf und was eigentlich wirklich dort hinein gehört.
Der Fall zeigt, dass die Begründung eines Urteils ein Balanceakt ist. Zum einen wollen Richterinnen und Richter sich nicht angreifbar machen, immerhin kann die Begründung ein ganzes Verfahren wieder zu Fall bringen. Zum anderen müssen sie abwägen, was getrost weggelassen werden kann. detektor.fm-Redakteurin Rabea Schloz hat sich das Urteil einmal genauer angeschaut und bespricht mit Rechtsanwalt Achim Doerfer, was denn nun überhaupt in eine Urteilsbegründung hineingehört, und was nicht.