Die an Demenz erkrankte Anna U. wohnt seit mehr als 60 Jahren in ihrer Wohnung im Münchener Stadtteil Schwabing. Ihr Pfleger, der 42-jährige Hani F., lebt in einer separaten Wohnung im selben Haus bei ihr zur Untermiete. Nun hat die Vermieterin sowohl der Seniorin als auch ihrem Betreuer fristlos gekündigt. Hani F. soll sie und auch die Hausverwaltung mehrfach beleidigt und sogar bedroht haben. Seit einigen Jahren sei das Verhältnis zwischen dem Pfleger und der Vermietung angespannt: Bereits in der Vergangenheit sei es zu ausfälligen Bemerkungen und Emails gekommen.
Wann ist eine Beleidigung strafbar?
Man muss natürlich schon nochmal schauen, was da im Einzelnen gesagt worden ist und warum. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt
Das Landgericht München wertete die Beleidigungen als schweren Verstoß und erklärte damit die Kündigung für wirksam. Die äußeren Umstände wie etwa die gesundheitliche Verfassung der 97-Jährigen seien dabei außer Acht zu lassen. Generell sei sie als Hauptmieterin zur Verantwortung zu ziehen. Der Bundesgerichtshof hält dieses Urteil allerdings für falsch und betont, dass bei einer fristlosen Kündigung alle Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen. In diesem Fall könnte ein Wohnungs- oder Pflegerwechsel schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Zumal sich Hani F., wie er bei der Verhandlung des BGH betonte, liebevoll um die alte Frau kümmere.
Kündigung: Es geht in die nächste Runde
Nun wird der Fall neu aufgerollt: Das Landgericht München soll ein fachärztliches Gutachten einholen, um die Folgen eines Umzugs für Anna U. zu überprüfen.
Über den Fall hat detektor.fm-Moderatorin Anna Corves mit Rechtsanwalt Achim Doerfer gesprochen. Wo die Grenzen vom normalen Umgang zu Ausfälligkeiten liegen und welche Rechte Mieter und Vermietung in einem solchen Sonderfall haben, erklärt er im Interview.