Totschlag oder Mord?
Ob Mord oder Totschlag: Im Prinzip sind beide Tötungsdelikte rein rechtlich betrachtet gleich. Es gibt nur einen Unterschied: Wie die Tat durchgeführt wurde. Die entscheidende Frage ist, ob „niedere Beweggründe“ eine Rolle gespielt haben.
Aber auch die Tathintergründe und die gesellschaftlichen Wertvorstellungen spielen bei der Entscheidung eine Rolle. Jede Anklage wegen Tötung muss deswegen subjektiv überprüft und individuell beurteilt werden – so auch im Fall von Rashid D., der seine Frau brutal umgebracht hat.
Kulturelle Tradition als Rechtfertigung?
Der Täter hatte Nachrichten eines anderen Mannes an seine Frau gelesen. Daraufhin unterstellte er ihr eine Affäre und fühlte sich in seiner Ehre gekränkt. Aus diesem Grund stach er 19 mal mit einem Messer auf sie ein. Dann warf er sie aus einem Fenster und schnitt ihr anschließend noch die Kehle durch.
Er habe damit seine, aber auch die Ehre seiner Frau bereinigen wollen. Denn in seiner Heimat Tschetschenien seien solche Ehrenmorde kulturelle Tradition. Laut dem Geständnis war ihm zwar bewusst, dass ein Mord strafrechtlich verfolgt wird – dass aber sein Handeln Mord sein soll, wollte er nicht einsehen. Auch sein Strafverteidiger plädierte auf Totschlag, da sein Mandant nicht aus „niedrigen“ Beweggründen gehandelt habe. Dieser Auffassung schloss sich auch das Gericht an.
So sehr es auch schmerzt, ich halte das Urteil für richtig. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt
Das Urteil
Rashid D. wurde zu 13 Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Das Gericht begründete das Strafmaß mit der Herkunft und dem Bildungsgrad des Mannes. Er ist erst vor sechs Monaten nach Deutschland gekommen und hatte keinen Kontakt zur deutschen Gesellschaft. Demnach seien die deutschen Werte- und Moralvorstellungen für ihn noch nicht ausreichend gefestigt gewesen. Außerdem wurde sein Bildungsniveau als äußerst gering eingestuft.
Ist das gerecht? Achim Doerfer hat mit detektor.fm-Moderatorin Sara Steinert über das Urteil und den veralteten „Mordparagraphen“ gesprochen.