Dr. Dr. Hanjo Hamann wagt einen Selbstversuch: bekommt er einen Einblick in vier gezielt ausgesuchte Gerichtsurteile? Der Jurist und Forscher scheitert – wenig überraschend. Denn wie eine über Jahrzehnte hinweg geführte Untersuchung zeigt, werden in Deutschland weniger als ein Prozent aller Gerichtsentscheidungen veröffentlicht. Was also schon für den Fachmann schwierig ist, dürfte für Laien quasi unmöglich sein.
Öffentlichkeit schafft Bewusstsein
Dabei wäre es wichtig, mehr Urteile zu veröffentlichen. Einer der Gründe ist, dass man damit gewissen Stigmen entgegenwirken könnte. Urteile werden dann veröffentlicht, wenn es ein (vermeintliches) öffentliches Interesse gibt. Dann berichten auch die Medien häufiger. Ein Merkmal für ein größeres Interesse kann zum Beispiel die Herkunft des Täters oder der Täterin sein. Dadurch verzerrt sowohl die Veröffentlichung als auch die Berichterstattung darüber die Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Hängen bleibt am Ende nur: Ausländer sind krimineller als Deutsche, der Grund dafür ist ihre Ethnie – was eben einfach nicht richtig ist.
Die deutschen Gerichte tun sich schon lange schwer mit der Veröffentlichung ihrer Entscheidungen – seit 50 Jahren dümpelt die Zahl bei einem Prozent herum. Woran liegt’s? Gründe gibt es viele – oder werden die nur vorgeschoben? detektor.fm-Redakteurin Rabea Schloz und Rechtsanwalt Achim Doerfer werfen einen Blick drauf. Die beiden sprechen darüber, wozu Veröffentlichungen wichtig sind, warum sie oft nicht stattfinden und was denn eine wünschenswerte Veröffentlichungsquote wäre.
Anmerkung: Achim Doerfer spricht im Podcast von rund 700 Tötungsdelikten, die Zahl ist nicht falsch, allerdings auch nicht ganz korrekt – deswegen schlüsseln wir sie hier noch einmal auf. Insgesamt gab es im Jahr 2020 laut der Polizeilichen Kriminalstatistik 1469 Straftaten gegen das Leben. Achim Doerfer bezieht sich auf die Tatbestände Mord (§211 StGB, 245 Taten) und Totschlag (§212 StGB, 384 Taten). Eine komplette Aufschlüsselung gibt es hier.