Unterlassene Hilfeleistung: kein Kavaliersdelikt
Wegschauen kann tödlich enden. Diese leidvolle Erfahrung mussten die Angehörigen eines 83-Jährigen aus Essen machen. Der Rentner brach im Foyer einer Bankzentrale zusammen. Die Kunden, die nach ihm die Bankzentrale betraten, reagierten nicht auf den am Boden liegenden Mann. „Keiner wollte Hilfe leisten“ so Richter Karl-Peter Wittenberg. Jetzt wurden am Amtsgericht in Essen-Borbeck drei Personen wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt.
Die Rechtslage
Hilfe zu leisten bei Not- und Gefahrensitutation ist ethische Pflicht. Wenn unsere Mitmenschen Hilfe benötigen, ist diese aber nicht nur moralisch geboten. Auch der Gesetzgeber hat ein Interesse am aufmerksamen und solidarischen Miteinander.
Im § 323c des StGB findet man einen weit definierbaren Spielraum. Wer sich unter „zumutbaren Umständen“ befindet, muss helfen. „Zumutbare Umstände“ herrschen dann, wenn man sich selbst während der Hilfeleistung nicht in Gefahr begibt. Wer dagegen verstößt, muss mit empfindlichen Geldstrafen oder bis zu einem Jahr Freiheitsentzug rechnen. Allerdings fällt es oft schwer zu entscheiden, welche Situation zumutbar war und welche nicht.
Eine zumutbare Hilfeleistung wird in den allermeisten Fällen zumindest mal darin liegen, dass man den Krankenwagen holt. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt
Das Urteil
Die Angeklagten erhielten unterschiedlich hohe Geldstrafen. Die höchste Summe lag bei 3.600 Euro. Doch wie viel schwerer wiegt die moralische Schuld? Es ist nicht das erste und es wird nicht das letzte Mal sein, dass Menschen, obwohl sie helfen müssten, Hilfe unterlassen. Die hohen Geldstrafen und die Worte des Richters sind in diesem Fall als ein mahnendes Signal zu verstehen.
detektor.fm-Moderator Lars-Hendrik Setz hat mit Rechtsanwalt Achim Doerfer über das aktuelle Urteil aus Essen im Fall der unterlassenen Hilfeleistung gesprochen.
Redaktion: Jerome Fischer