Späte Urteile gegen NS-Verbrecher
Eine 96-jährige wird in den Gerichtssaal geschoben. Die FFP2-Maske soll sie gegen das Coronavirus schützen, die Sonnenbrille gegen die Kameras. Sie ist angeklagt in über 11 000 Fällen Beihilfe zu Mord geleistet zu haben, zwischen 1943 und 1945 als Schreibkraft und Stenotypistin im KZ Stutthof.
Lange Zeit wurde der deutschen Justiz vorgeworfen, die Verbrechen der NS-Zeit nicht ordentlich aufzuarbeiten. Mittlerweile laufen die wahrscheinlich letzten Prozesse gegen die Verantwortlichen von damals. 80 Jahre nach der Wannseekonferenz sind viele der Täterinnen und Täter sehr alt.
Verantwortung für die Verbrechen in Syrien?
Im gleichen Zeitraum wurde im Januar ein Syrer in Koblenz wegen Staatsfolter in mindestens 4 000 Fällen verurteilt. Das Urteil gegen den Ex-Geheimdienstmitarbeiter hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Der Verurteilte hat im Gefängnis al-Khatib von Folter und Tötungen gewusst und sie „billigend in Kauf genommen„. In Frankfurt am Main läuft ein scheinbar ähnliches Verfahren. Dort steht ein Arzt vor Gericht, der in syrischen Krankenhäusern gefoltert haben soll. Er selbst räumt ein, in verschiedenen Militärkrankenhäusern gearbeitet zu haben, sei aber politisch nicht aktiv gewesen.
Sind all diese Fälle überhaupt vergleichbar? Und welche Verantwortung hat die deutsche Justiz, Kriegsverbrechen zu verurteilen, während sie selbst so lange versäumt hat, die eigene Geschichte auszuarbeiten? detektor.fm-Moderator Lars Feyen spricht darüber mit Rechtsanwalt Dr. Achim Doerfer.