Die ARD hat die Frankreichrundfahrt zum ersten Mal seit 2011 wieder live übertragen. Es hat sich gelohnt: Aus deutscher Sicht war die Tour de France mit gleich sechs Etappensiegen ein großer Erfolg. Doch der Zweifel an den Radsportleistungen bleibt. Nicht nur dem Gesamtsieger Christopher Froome wird mit Skepsis begegnet, sondern dem gesamten Radsport. Mehr Skepsis würde auch anderen Sportarten gut tun, findet unser Autor Sandro Schroeder. Ein Kommentar.
Doping: Der miese Ruf ist verdient
Ich freue mich als Fan und Sportler, dass über die diesjährigen Erfolge von André Greipel, Toni Martin und Simon Geschke berichtet wird. Und dass sie auch gezeigt werden.
Was mich aber ärgert: Wenn hierzulande über Radsport gesprochen wird, dann ist der erste Reflex noch immer: das Thema Doping. Noch immer ist der Radsport das Schmuddelkind mit dem dreckigen Dopingproblem, das schwarze Schaf auf das gerne gezeigt wird. Und das nicht ohne Grund.
Es ist das Erbe einer Zeit im Radsport, in der Doping scheinbar zum guten Ton gehörte. Da war der Festina-Skandal. Der Fuentes-Skandal. Das Doping beim Team Telekom. Klar, den schlechten Ruf können sich der Sport und die einzelnen Athleten in aller erster Linie selbst zuschreiben.
Es ist das Erbe von Lance Armstrong, von Erik Zabel, von Jan Ulrich. Um nur die bekanntesten Namen aus einer sehr, sehr langen Liste zu nennen. Und jedes Jahr kommen neue Namen dazu. Es ist auch das Erbe eines Weltverbands im Radsport, der nicht nur zu Armstrongs Zeiten gerne ein Auge zudrückt hat.
Der miese Ruf des Radsports, er ist verdient – keine Frage.
Kritische Fragen sind nötig
Deswegen fragen Kommentatoren und Zuschauer heute zurecht nach jeder Höchstleistung, nach jedem Etappensieg bei der Tour:
Ist das glaubwürdig?
Ist das noch menschlich?
Oder ist das Doping?
Das nervt. Nicht, weil die Fragen nicht gestellt werden sollten. Ganz im Gegenteil, ich finde: sie sind gesund für den Sport. Er hat viel von seinem Mythos eingebüßt, die übertriebene Ehrfurcht ist fort. Und das ist gut so. Mich stört vielmehr, dass diese Fragen in anderen Sportarten nicht so beharrlich gestellt werden. Diese Skepsis an jeder Leistung, die kritischen Fragen – das würde auch anderen Sportarten gut stehen. Zumindest ein bisschen davon.
Mir ist durchaus klar, dass der Radsport auch heute nicht sauber ist. Alles andere wäre naiv. Trotz Doping-Tests, trotz Blutpass, trotz kritischem Blick von Fans und Nicht-Fans: Es wird weiterhin Lücken und Betrug geben.
Mehr Zweifel bitte!
Aber machen wir uns doch nichts vor. Dass betrogen wird, das gehört zum Wettbewerb und Spitzensport dazu. Und ein bisschen auch zur Natur des Menschen. Erst recht, wenn es um viel Geld geht. Das zeigt die Meldung, dass nun auch professionelle Computerspieler bei Turnieren auf Doping getestet werden sollen.
Ein bisschen mehr Zweifel und Skepsis, das würde ich allen Sportarten wünschen. Und vor allem einer: König Fußball. Denn was den Lieblingssport der Deutschen betrifft, ist die Bundesrepublik noch immer eine Monarchie. Jede Kritik, jeder Zweifel am Fußball – das kommt in Deutschland noch immer einer Majestätsbeleidigung gleich.
Deswegen wünsche ich mir von Sportlern, von Journalisten, von Fans: Ein bisschen mehr Zweifel bitte.