Das Gefühl, dass sich unsere Gesellschaft immer weiter spaltet, hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich verstärkt. Vor allem die Länder, in denen große, politische Ereignisse stattfanden (wie der Brexit in Großbritannien oder die US-Präsidentschaftswahl) haben das noch befeuert. Dass es sich dabei nicht nur um ein Gefühl, sondern um eine tatsächliche Distanz zwischen zwei großen Lagern handelt, ist mittlerweile anerkannt. Denn auch in der so genannten Mitte der Gesellschaft ist eine Polarisierung im Gange.
Woher kommt die Spaltung der Gesellschaft?
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Grünen sehen zum Beispiel die soziale Ungleichheit als einen der Auslöser für die Spaltung. Allerdings spielen auch noch ganz andere Gründe eine wichtige Rolle.
Eine womöglich zu lange vernachlässigte Erklärung kann die Psychologie – genauer gesagt: die Emotionspsychologie – liefern, wenn man sich mit der Analyse dieses Phänomens beschäftigt.
Emotion und Denken
Denn Forscher um den US-amerikanischen Moralpsychologen Jonathan Haidt haben in zahlreichen Versuchen zeigen können, wie Urinstinkte und tief sitzende Gefühle zwei Gruppen vorbestimmen.
Bei den Untersuchungen kam heraus, dass vor allem sechs unterschiedliche Prinzipien die Gruppen determinieren. Auf der einen Seite steht die Gruppe der Progressiven, auf der anderen die der Konservativen.
Diese zwei Gruppen unterscheiden sich in ihren Denkstilen, aber vor allen Dingen in ihren Emotionen, genauer: ihren Emotionsneigungen. Das hat Einfluss auf viele der moralischen, speziell der politischen Überzeugungen und Einstellungen. – Philipp Hübl, theoretischer Philosoph
Ekel macht konservativ
Vor allem eine uns allen bekannte Emotion scheint die Gruppen stark zu beeinflussen: der Ekel. Früher hat er unsere steinzeitlichen Vorfahren erst einmal davor geschützt, lebensbedrohliche Entscheidungen, wie den verotteten Tierkdaver zu essen, zu fällen. Heute scheint er unsere Einstellung zu beeinflussen.
Was Mitgefühl oder Ekel mit Politik zu tun haben – eine Analyse: https://t.co/UeDRPAQCbt pic.twitter.com/7Bu68cWJSM
— Neue Zürcher Zeitung (@NZZ) 29. Mai 2017
Philipp Hübl ist Junior-Professor für Theroetische Philosophie an der Universität Stuttgart. Er hat die Forschung von Jonathan Haidt in der Neuen Zürcher Zeitung zum Anlass genommen, um eine Debatte darüber anzustoßen. Mit detektor.fm-Moderator Christian Bollert hat er darüber gesprochen, welche Prinzipien welche Gruppe beeinflussen, welchen Einfluss der Ekel wirklich hat und ob wir überhaupt etwas gegen die daraus resultierende Spaltung unternehmen können.
Redaktion: Roberta Knoll