Unterschätzte Krankheit
Rund eine Million Menschen in Deutschland sind an den chronischen Leberentzündungen Hepatitis B oder C erkrankt. Die Dunkelziffer wird jedoch höher geschätzt, weil viele Menschen die Erkrankung gar nicht wahrnehmen. Denn Symptome einer Hepatitis können Müdigkeit, Übelkeit oder Fieber sein. Dadurch wird eine Hepatitis B beispielsweise oft verschleppt und dann chronisch. Genauso bei einer Hepatitis C: Entweder sie heilt von allein oder sie wird chronisch. Das passiert in 80 Prozent der Fällen. Wird die Krankheit nicht behandelt, können eine Leberzirrhose oder Leberkrebs die Folgen sein.
Gegen Hepatitis B gibt es einen Impfstoff. Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Impfung von Säuglingen und Menschen im Erwachsenenalter, die einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Das sind jene, die im medizinischen Bereich arbeiten, Dialysepatienten oder auch jene, die Kontakt zu an Hepatitis B erkrankten Menschen haben.
Kein Impfstoff, aber eine Pille
Gegen Hepatitis C gibt es keinen Impfstoff. Aber Medikamente. Mittlerweile ist Hepatitis C fast immer heilbar. Bis 2014 behandelte man die Leberentzündung mithilfe von Kombinationstherapien, die 16 bis 72 Wochen andauerten. Danach galt der Patient meist als geheilt. Die Therapien aber hatten enorme psychische Nebenwirkungen wie Depressionen.
Vor drei Jahren kam dann der Durchbruch. Ein Wirkstoff wurde entwickelt, der den Behandlungszeitraum auf 12 Wochen verkürzt, kaum Nebenwirkungen mit sich bringt und in 90 Prozent aller Fälle den Patienten heilt: Sofosbuvir.
Das kleine pharmazeutische Unternehmen Pharmasset aus den USA hatte den Wirkstoff entwickelt und getestet. Der Hersteller Gilead witterte seine Chance, kaufte das Unternehmen, meldete ein Patent auf den Wirkstoff an und verkauft die Pillen seitdem für rund 1.000 Euro pro Stück. Das Pharmaunternehmen rechtfertigt den Preis damit, dass das Medikament auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation steht.
Patente auf wichtige Medikamente sind nicht unbedingt ein Widerspruch. Man braucht das Patentsystem ja, damit überhaupt Investitionen im pharmazeutischen Bereich stattfinden. – Ansgar Ohly, Rechtswissenschaftler
Rechtfertigen Patente die hohen Kosten?
Die deutschen Krankenkassen wollen die Kosten für eine Behandlung mit Sofosbuvir nicht übernehmen. Sie rechnen vor, dass die Behandlung aller an Hepatitis C erkrankten Menschen mit diesem Medikament zehn Milliarden Euro kosten würde. Rund ein Drittel der Gesamtausgaben für Medikamente. Und so kommt das Medikament kaum bei den Patienten an, denn nur wenige können sich die Behandlung leisten.
Gegen eben dieses Patent haben Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen jetzt vor dem Europäischen Patentamt Einspruch eingelegt. Sie wollen, dass das Patent auf den Wirkstoff aufgehoben wird und das Medikament so günstiger produziert und verkauft werden kann.
Wie gut ihre Erfolgschancen stehen und ob Patente auf Medikamente wirklich alternativlos sind, hat detektor.fm-Moderatorin Marie Landes mit dem Rechtswissenschaftler Ansgar Ohly von der Ludwig-Maximilians-Universität München besprochen.
Redaktion: Maren Schubart