Keine Freunde, keine Familie, keine Heimat: Das Wort „Pilger“ bedeutet so viel wie „Fremdling“ und leitet sich vom lateinischen Wort „peregrinus“ ab. Das Einzige, was beim Pilgern gleich bleibt, ist der Pilgerer selber – oder vielleicht am Ende doch nicht?
Darauf beruht die Hoffnung des Projekts „Zwischen den Zeiten“ von der Sächsischen Jugendstiftung. Ziel ist es, Jugendlichen mit einer fünftägigen Pilgerreise neue Perspektiven zu eröffnen.
Pilgern gegen Kriminalität
Das mittlerweile für unterschiedliche Gruppen offene Projekt hat sich zu Beginn vor allem an junge Straftäter gerichtet. In Deutschland erlaubt das Jugendstrafrecht dem Richter, statt Gefängnisstrafe oder Sozialstunden auch sogenannte „soziale Trainingskurse“ zu verordnen.
Das Pilgern der Sächsischen Jugendstiftung entspricht einem solchen sozialen Trainingskurs. Nicht die Strafe steht hier im Vordergrund, sondern der Erziehungsgedanke. Knapp 65 Kilometer laufen die Jugendlichen entlang der mittelalterlichen Handelsstraße Via Regia von Bautzen nach Dresden.
Unterwegs werden Rastplätze instand gesetzt, Reparaturarbeiten an Herbergen verrichtet und Bildungseinheiten absolviert.
Neue Perspektiven
Anstatt des gewohnten Alltags gibt es für die Jugendlichen auf dieser Reise kaum Ablenkung. Stattdessen haben sie viel Zeit, sich mit sich selber zu beschäftigen. Nicht zuletzt lauten die drei traditionellen Pilgerfragen: Wo komme ich her? Wo stehe ich gerade? Wo wende ich mich hin?
Nebenbei treffen sie auf dem Weg und in den Herbergen auf Menschen mit komplett anderen Lebensentwürfen und in der Pilger-Gruppe auf Menschen mit ganz ähnlichen Problemen.
Das Projekt bietet den Jugendlichen die Möglichkeit, auf eine kurze biografische Auszeit, um sich neu zu orientieren: Wo will ich hin mit meinem Leben und was habe ich vielleicht bisher falsch gemacht? – Sven Enger, Projektleiter von „Zwischen den Zeiten“
Die Idee für diese Pilgerreisen stammt aus Frankreich und Spanien. Dort werden solche „Auffangprojekte“ in deutlich größerem Umfang angeboten. In Deutschland befindet sich der Ansatz dagegen noch in den Kinderschuhen.
Über die Entstehung, Gegenwart und Zukunft des Projekts „Zwischen den Zeiten“ hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit Sven Enger, Leiter des Projekts, gesprochen.