Anfang der 1990er Jahre einigte man sich in Polen auf einen Kompromiss: Nur in bestimmten Fällen soll eine Abtreibung möglich sein. Diesen Kompromiss will eine Bürgerinitiative durch ein absolutes Abtreibungsverbot ablösen. Mit dem Vorschlag hat sie es bis ins polnische Parlament geschafft.
Selbst Schwangerschaften, die durch Vergewaltigungen entstanden sind oder lebensgefährlich für die Frau werden können, könnten dann nicht mehr unterbrochen werden. Der Gesetzesentwurf sah auch vor, dass Ärzte und Frauen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Eine Abtreibung wäre nur noch möglich, wenn bei der schwangeren Frau sonst Lebensgefahr bestünde.
Schwarzmarkt für Abtreibungen in Polen
Das polnische Abtreibungsrecht zählt zu den strengsten in Europa. Frauen können dort schon heute nur abtreiben, wenn sie vergewaltigt wurden, das Leben der werdenden Mutter in Gefahr ist oder das Kind eine schwere Behinderung haben wird. Auch wenn einer dieser Fälle zutrifft, weigern sich viele polnische Ärzte, den Eingriff vorzunehmen. Deshalb sind viele Frauen auf illegale Abtreibungen angewiesen.
In Polen gibt es einen riesigen Schwarzmarkt für Schwangerschaftsabbrüche. Abtreibungen werden oft unter gefährlichen Bedingungen durchgeführt. Es gibt Todesfälle und zahlreiche Fälle von bleibenden Gesundheitsschäden.
Widerstand im Netz und auf der Straße
Das Komplettverbot sorgte folglich für massive Proteste. Weltweit haben sich Menschen mit der Protestbewegung in Polen solidarisiert. Unter dem Hashtag #czarnyprotest (schwarzer Protest) protestieren Menschen in schwarzer Kleidung gegen die Entmündigung der Frau und die Politisierung des weiblichen Körpers. Insgesamt sollen 100.000 Menschen in ganz Polen an den Protesten teilgenommen haben.
Erfolg für die Frauen
Nach den beeindruckenden Protesten steht das absolute Abtreibungsverbot nun vor dem Aus. In einer eilig einberufenen Sitzung hat das polnische Parlament den Gesetzesentwurf abgelehnt. Die Massenproteste stoßen eine Debatte über die Selbstbestimmung der Frau und religiöse Moralvorstellungen an.
Das ist ganz klar auch eine Niederlage für die konservative Regierung Polens. – Terry Reintke, EU-Abgeordnete der Grünen
Jetzt will ein polnisches Bürgerkomitee Unterschriften für eine europäische Gesetzesinitiative sammeln. Ziel ist es, die Rechte von Frauen zu stärken. Das Recht auf Abtreibung, sexuelle Aufklärung und Verhütungsmittel sollen europaweit gelten – damit Regierungen nicht so einfach Politik gegen Frauen machen können.
Über die Macht der Proteste und die Frage, wie es nun weitergehen wird, hat detektor.fm-Moderator Lucas Kreling mit der EU-Abgeordneten Terry Reintke von den Grünen gesprochen. Sie hat die Proteste begleitet und nach dem Erfolg mit Demonstrierenden aus Polen gesprochen.
Redaktion: Linh Pham