Radikalisierung in Gefängnissen wird immer mehr zu einem Thema. Denn es wird nicht mehr nur auf der Straße wie mit der LIES!-Aktion in Fußgängerzonen für islamistische Überzeugungen geworben. Vor allem in Gefängnissen suchen überzeugte Islamisten nach neuen Mitstreitern. Denn dort sind oft wütende, junge labile Männer zu finden. Ein Islamist, der sie in ihrer Wut auf die Gesellschaft bestätigt, gewinnt schnell ihr Zutrauen und kann sie so von seiner islamistischen Ideologie überzeugen.
ICSR-Report über die Radikalisierung in Gefängnissen
Eine Studie des Londoner King´s College belegt dies. Sie hat die Biografien von 79 Dschihadisten aus Belgien, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden untersucht. Heraus kam, dass 57 Prozent vor ihrer Radikalisierung bereits inhaftiert waren und sich mindestens 27 Prozent im Gefängnis radikalisierten.
Bekannte Beispiele sind hier der Berliner Attentäter Anis Amri, der sich während seiner Haft in Italien radikalisiert hatte. Und auch die Terroristen, die den Anschlag auf Charlie Hebdo verübten, hätten sich erst im Gefängnis radikalisiert.
Versuche der Deradikalisierung in deutschen Gefängnissen
In Deutschland sollten im Dezember 2016 bundesweit mehr als 150 verurteilte Islamisten in Haft sitzen. Das wären ungefähr 30 Prozent mehr als im vorherigen Jahr.
In den Bundesländern wird unterschiedlich gegen die Radikalisierung vorgegangen. Einige arbeiten mit Projekten wie dem Violence Prevention Network zusammen. Die Organisation arbeitet bundesweit für die Prävention und Deradikalisierung von Extremisten.
In Hessen, wo viele verurteilte Islamisten im Gefängnis sitzen, gibt es seit Mitte 2014 ein Präventionsnetzwerk gegen Salafismus, das auch die Deradikalisierung im Strafvollzug koordiniert. In den dortigen Gefängnissen werden jetzt so genannte Strukturbeobachter eingesetzt.
Was genau deren Aufgabe ist und was an den Deradikalisierungsmaßnahmen in Deutschland verändert werden müsste, das hat detektor.fm– Moderator Alexander Hertel mit René Müller, dem Bundesvorsitzenden des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, besprochen.