Sandwesten für hibbelige Grundschüler
Es klingt zunächst nach einer skurrilen Erziehungsmethode aus vergangenen Zeiten: Kinder, die sich nicht auf den Unterricht konzentrieren können, tragen Sandwesten. Aber das ist Alltag an mehreren Hamburger Grundschulen mit Inklusionsklassen. Eines sei schnell hinterhergeschoben: Die Kinder entscheiden hier selbst, ob sie die Westen tragen wollen oder nicht. Kritik gibt es dennoch.
Es ist gut und richtig, dass man die Kinder fragt, ob sie die Westen tragen wollen. Man sollte aber auch mit ihnen gemeinsam überlegen, was sie zappelig macht. Manche Kinder lernen zum Beispiel besser in Bewegung. Da braucht es einen bewegungsorientierten Unterricht. Oder einfach eine Pause. – Holger Hofmann, Deutsches Kinderhilfswerk
Für mehr Konzentration
Die Sandwesten wiegen zwischen 1,25 und sechs Kilogramm. Sie sollen die Kinder beruhigen, Geborgenheit vermitteln. Hyperaktiven Kindern kann das helfen, sich dann besser auf den Unterricht zu konzentrieren. Einzelne Krankenkassen übernehmen daher die Kosten von bis zu 170 Euro pro Weste bei Kindern mit ADHS. Dabei gibt es keine wissenschaftliche Studie, die den Nutzen der Westen belegt.
Man kann diese Westen mal nehmen. Aber ich glaube nicht, dass sie unser Problem löst, dass viele Kinder zappelig in der Schule sitzen. Es ist vielleicht eher die Schule, die diese Kinder zappelig macht. – Holger Hofmann
Schwarze Pädagogik
Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt auch grausame Beispiele für den Einsatz von pädagogischen Instrumenten. Daniel Gottlob Moritz Schreber wird der sogenannten schwarzen Pädagogik zugeordnet. Er entwickelte orthopädische Apparate und probierte sie an seinen eigenen Kindern aus. Aufklärung und Fortschrittsglaube trieben ihn an. Herausgekommen sind dabei: Geradhalter und Kinnriemen. Manchen gilt er als Kinderschreck, manchen als Begründer der systematischen Heilgymnastik in Deutschland.
Welchen Nutzen und welche Gefahren der Einsatz von Sandwesten an Grundschulen mit sich bringt, und wie sie funktionieren, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit Holger Hofmann gesprochen. Er ist Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks.
Redaktion: Marlene Brey