Kein Rostock ohne Lichtenhagen
Googelt man „Rostock“, bekommt man direkt „Lichtenhagen“ vorgeschlagen. Auch 25 Jahre nach den Ereignissen vom 22. bis 26. August 1992 prägen die Geschehnisse in Rostock-Lichtenhagen das Bild der Stadt. Damals terrorisierten Rechtsradikale, angefeuert von Schaulustigen, über Tage Asylbewerberinnen und Asylbewerber, warfen Steine und Molotowcocktails. Das „Sonnenblumenhaus“, in dem sich damals die Aufnahmestelle befand, erlangte traurige Berühmtheit und mit ihr die gesamte Stadt und der Stadtteil Rostock-Lichtenhagen.
Neben rund 300 vietnamesischen Vertragsarbeitern und ihren Familien werden dort Anfang der 1990er Jahre immer mehr Menschen aus den ehemaligen Sowjetstaaten untergebracht. Dabei ist es reines Glück, dass bei den Krawallen keine Menschen starben. Stadt und Land schieben damals die Verantwortung hin und her. Die Polizei, die selbst Opfer der Krawalle wird, versagt kläglich.
Auch die juristische Aufarbeitung wirft Fragen auf. Zwar wurden mehr als 40 Täter verurteilt, jedoch erhielten lediglich drei Haftstrafen. Ein Jahr später wird der Grundgesetzartikel 16, der Asylparagraph, verschärft und für viele Kritiker auf unwürdige Weise entstellt.
Wie an Rostock-Lichtenhagen gedenken?
Wie an die Ereignisse gedacht werden soll, ist lange umstritten gewesen. Eine Gedenktafel am Rathaus ist erst von Tätern aus dem rechtsextremen Umfeld entfernt und später wieder angebracht worden. Eine 2012 auf dem Platz vor dem Sonnblumenhaus gepflanzte „Gedenk-Eiche“ ist von einer Gruppe antifaschistischer Aktivisten gefällt worden. Die „Arbeitsgemeinschaft Gedenken“ der Rostocker Bürgerschaft einigte sich dann darauf, dass es ein dezentrales Mahnmal geben muss. Auch, um an die verschiedenen Stellen in der Stadt zu erinnern, die in den August-Tagen 1992 ihrer Verantwortung nicht gerecht wurden.
Wir wollten darstellen, es ist zu diesem Progrom 1992 gekommen, weil die gesamte Stadtgesellschaft mit ihren Institutionen – Politik, Verwaltung, Polizei und auch Medien – einfach versagt hat. -Wolfgang Nietzsche, Präsident der Rostocker Bürgschaft
Mit dem Mahnmal „Gestern Heute Morgen“ einer Rostocker Künstlergruppe, sollen die Ereignisse aus der Vergangenheit heute kritisch betrachtet werden, um solchen Ereignissen vorzubeugen. Das Ziel: Es soll ein Dialog aufrechterhalten werden und an vielen Orten überhaupt erst neu entstehen, wie Ausländerfeindlichkeit in einer Demokratie entgegnet werden kann.
Über den Umgang und die Einbindung der Ereignisse in das gegenwärtige Stadtbild, hat sich detektor.fm-Moderatorin Marie Landes mit dem Präsidenten der Rostocker Bürgerschaft Dr. Wolfgang Nitzsche unterhalten.