„Die Spitze des Eisbergs“
Am heutigen Dienstag hat die katholische Kirche ihre Studie zu sexuellem Missbrauch an Minderjährigen veröffentlicht. Die Ergebnisse hat die Bischofskonferenz vorgestellt. Mehr als 3700 Minderjährige gehören demnach zu den Betroffenen. Darüber hinaus waren im Zeitraum von 1946 bis 2014 ganze 1670 beschuldigte Kleriker aktenkundig. Diese Erkenntnisse seien bloß „die Spitze eines Eisbergs, dessen Größe wir nicht kennen“, so Harald Dreßing, Koordinator der Studie. Die Studie sei nur der erste Schritt zur Aufarbeitung.
Der Wille zur Aufklärung
Demzufolge müsse vor allem die unangemessene Reaktion auf Missbrauch-Vorwürfe weiter untersucht werden. Die Kirche habe den Schutz der Institution und der Beschuldigten vor das Wohlergehen der Betroffenen gestellt. Auch die Strukturen klerikaler Macht, die die Missbrauchsfälle begünstigt hatten, seien immer noch vorhanden. Die Wissenschaftler fordern daher einen Mentalitätswechsel auf allen Ebenen.
Mehr Aufarbeitung nötig
Neben Lob für die gründliche Arbeit der Studie, gibt es andererseits auch Kritik. Vor allem aufgrund der von der Kirche gestellten Bedingungen. Kriminologe Christian Pfeiffer, bis 2013 Leiter der Studie, betont die Sorge der Kirche, man könne sich bei der Untersuchung jede einzelne Diözese genau anschauen:
Damals hätten wir Diözese für Diözese gewusst, was dort gelaufen ist. Heute haben die Wissenschaftler nur Daten auswerten können, die pauschal ganz Deutschland betreffen, obwohl das kirchenrechtlich nichts bedeutet. Jedes Bistum steht für sich und ist nur dem Papst verantwortlich. – Christian Pfeiffer
Auch den Wunsch der Kirche mögliche Erkenntnisse vorzuenthalten, findet Pfeiffer untragbar. Nichtsdestotrotz hält er die nun vorliegenden Ergebnisse aber für wertvoll.
Über die Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche hat detektor.fm-Moderatorin Eva Morlang mit Kriminologe Christian Pfeiffer gesprochen.
Redaktion: Valérie Eiseler