Ein Rauschen im Blätterwald
Eigentlich soll sich Jogi Löw darum kümmern, den Weltmeistertitel zu verteidigen. Trotzdem ist jeder Schritt des Bundestrainers der Klatschpresse eine Schlagzeile wert. Ob er Punkte in Flensburg sammelt, sich von seiner Frau trennt oder einfach nur eine Zigarette raucht – der Blätterwald rauscht.
Passend zur Fußball-WM in Russland kommt nun die nächste Schlagzeile. „Jogi Löw – sein geheimes Tagebuch“ titelt die Freizeit Woche. Das Blatt verspricht die „ganze Wahrheit“ über Löw zu enthüllen. „Erschütternd“ soll sein Seelenleben sein.
Was Jogi gesagt hat
Dass Löw ein Tagebuch führt, ist hinlänglich bekannt. Bereits 2014 berichtet die Welt am Sonntag von seinen Aufzeichnungen. „Ich notiere mir Dinge nicht am Computer. Ich bin jemand, der lieber schreibt. Ich schreibe gern die Dinge runter, die ich für mich festhalten möchte, Stichworte und Gedanken“, sagte er schon damals. Die Notizen nutze er zum Beispiel, um sich auf Gespräche mit Spielern vorzubereiten.
Was die Boulevard-Presse daraus macht
Das Bild vom schreibenden Bundestrainer scheint in der Regenbogenpresse einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Ein Nivea-gepflegter Löw, der im WM-Quartier bei einem Glas Rotwein über das Leben philosophiert – besser wird’s nicht.
Das dachten sich wohl die Redakteure der Freizeit Woche. Die verwurstet Zitate von 2014, zitiert einen Psychologen und orakelt über Löws Trennung von seiner Frau – fertig ist der „Enthüllungsartikel“. Dass man dabei natürlich keine intimen Details aus dem Leben des Trainers erfährt, geschenkt.
Ein großes Foto von Jogi Löw lächelt uns da vom Cover der Freizeit Woche entgegen. Das ist dann ja auch immer schon mal so ein Verkaufsversuch der Regenbogenhefte. Da kommt es immer stark drauf an, welchen Promi, welchen Adligen, welchen Schlagerstar oder welchen Fußballtrainer sie auf die Titelseite nehmen. – Moritz Tschermak
Aber warum interessiert es überhaupt jemanden, was sich Jogi Löw in einer ruhigen Minuten aufschreibt? Darüber hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit Moritz Tschermak von Topf voll Gold gesprochen. Er analysiert jede Woche für uns die Kapriolen der Regenbogenpresse.
Redaktion: Sebastian Ernst