Judenfeindliches Relief in Wittenberg
An der Stadtkirche in Wittenberg wird das sogenannte „Judensau“-Relief vorerst weiter zu sehen sein. Ein Mitglied der jüdischen Gemeinde in Berlin hatte geklagt und gefordert, dass das antisemitische Spottbild entfernt werden solle. Mit Hinweis auf den mittelalterlichen Kontext der Plastik und deren historische Bedeutung hat das Landgericht Dessau-Roßlau die Klage am Freitag allerdings abgewiesen. Obwohl das Relief explizit judenfeindlich ist, sei der Tatbestand der Beleidigung durch dessen bloßes Vorhandensein nicht erfüllt, so Richter Wolfram Pechtold.
Dass die christliche Gemeinde sich inhaltlich davon distanziert, ist selbstverständlich, aber für jeden Juden, der da vorbeigeht, ist das objektiv in schwerster Weise beleidigend. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt
Antisemitismus im Mittelalter
Das Relief zeigt einen Rabbiner, der einem Schwein – im jüdischen Glauben ein unreines Tier – unter den Schwanz schaut, und weitere Juden, die an den Zitzen des Tieres saugen. Die „Judensau“ war im Mittelalter ein verbreitetes anti-jüdisches Bildmotiv. An zahlreichen Kirchen ist es angebracht worden, um Juden zu diffamieren und davon abzuhalten, sich in der jeweiligen Stadt niederzulassen. An vielen deutschen Kirchen sind solche judenfeindlichen Plastiken auch heute noch zu finden – etwa am Chorgestühl des Kölner Doms und auch am Dom in Erfurt oder Regensburg.
Proteste gegen „Judensau“-Relief
Immer wieder ist in den vergangenen Jahren gegen das Relief protestiert worden. Zuletzt zum Reformationsjubiläum 2017. Damals hatte eine Protestgruppe um den Leipziger Pastor Thomas Piehler gefordert, die Plastik in ein Museum zu überführen. Die Stadt hat das bisher abgelehnt und meint, dass das Relief als sichtbares Mahnmal besser vor Geschichtsvergessenheit schützen würde. Seit 1988 erinnert außerdem eine Gedenktafel vor der Kirche an die fatalen Folgen des Judenhasses in Deutschland.
Über das Urteil zum „Judensau“-Relief in Wittenberg hat detektor.fm-Moderatorin Amelie Berboth mit Rechtsanwalt Achim Doerfer gesprochen.
Redaktion: Yannic Köhler