Erfolge in Europa für Housing First
Finnland setzt bereits seit 2008 auf das Modell „Housing First“: Obdachlosen wird vom Staat eine Wohnung vermittelt, andere Probleme werden erst danach angegangen. In Finnland ist das Projekt ein großer Erfolg: Von 2017 bis 2019 ging die Zahl der Langzeitobdachlosen im Land um etwa fünfzig Prozent zurück, heißt es im Bericht der Y-Foundation, die für die Housing-First-Wohnungen verantwortlich ist. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile ähnliche Projekte. Das Berliner Housing-First-Projekt hat seit 2018 siebzig Wohnungen vermittelt. Nach dem Einzug sind die weiteren Unterstützungsangebote freiwillig, der Mietvertrag läuft unbefristet. Insbesondere Langzeitwohnungslose mit Suchterkrankung sollen so die Chance bekommen, ihre Selbsthilfekräfte zu regenerieren und wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Kein Selbstläufer
Doch nicht allen Menschen ohne Wohnung fällt es leicht, Hilfe vom Staat anzunehmen. Und die gesellschaftliche Vorstellung, dass wohnungslose Menschen zunächst stufenweise wieder ‚fit‘ gemacht werden müssen, um in einem normalen Mietverhältnis zu leben, hält sich ebenfalls. Die klassische Wohnungsvermittlung setzt oft voraus, dass betroffene Menschen bestimmte Anforderungen und Regeln erfüllen. Dazu kommt: „Housing First“ ist kein kostengünstiges Projekt. So hat Finnland insgesamt über 270 Millionen Euro in die Hand genommen, um den benötigten Wohnraum zu schaffen. Langfristig soll die Methode dem Staat allerdings sogar helfen, Kosten einzusparen. Denn mit jedem neuen Mieter sparen beispielsweise Notaufnahmen und Sozialstationen Geld.
Wir fragen daher heute: Wohnraum für Alle – geht das? Das fragt detektor.fm-Moderator Johannes Schmidt Juliane Marquaß. Sie ist Sozialarbeiterin beim Projekt Housing First Berlin. Außerdem spricht er mit Volker Busch-Geertsema. Er ist Sozialwissenschaftler bei der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS).