Vor 30 Jahren eskaliert der Fremdenhass
Am 24. August 1992 hat ein rechtsextremer Mob das sogenannte Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen in Brand gesteckt. Im brennenden Gebäud: 140 bis 150 Menschen, die meisten davon ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter. Die Betroffenen blieben glücklicherweise unverletzt.
Die Ausschreitungen in der Hansestadt, Teil einer Welle rassistischer Gewalttaten nach der deutschen Wiedervereinigung, kamen mit Ankündigung: Schon Tage zuvor hatten sich tausende Menschen vor dem Haus versammelt und das Gebäude mit Steinen und Molotowcocktails beworfen. Die Rostocker Polizei war schlecht vorbereitet und ausgerüstet und ging gegen die gewalttätigen Ausschreitungen nur eingeschränkt vor.
Schleppende Aufarbeitung
Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser gehören die Angriffe von damals „zu den schlimmsten rassistischen Ausschreitungen“ der deutschen Nachkriegsgeschichte. In den Jahren nach den Ereignissen, die allgemein als Pogrom bezeichnet werden, war von Aufarbeitung jedoch wenig zu spüren. Die Gerichtsprozesse liefen schleppend und dauerten ungefähr zehn Jahre. Von den eingeleiteten Strafverfahren wurden die meisten eingestellt. Nur drei Täter sind zu Haftstrafen von unter drei Jahren verurteilt worden. Die an der Gewalttat beteiligte anonyme Menschenmenge wurde nie strafrechtlich belangt.
Sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch in der strafrechtlichen Aufarbeitung geht es weiterhin vor allem darum, wer die Schuld an der Gewalteskalation trägt. Die Perspektive der angegriffenen Geflüchteten und der anderen Menschen im Sonnenblumenhaus bekommt hingegen nur wenig Aufmerksamkeit.
Wie steht es 30 Jahre nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen um die Aufarbeitung? Darüber spricht detektor.fm-Moderator Jonas Grethel mit Kien Nghi Ha. Er ist Kultur- und Politikwissenschaftler mit Schwerpunkten Einwanderungsdiskurs, Kulturpolitik und Rassismus.