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Angewandte Kunst | Die Serie zur Grassimesse

„Lasst sie machen“ – Wie man Museum und Kunstmesse für Kinder macht

Die Grassimesse zeigt Textil, Porzellan, Schmuck, Glas, Metal, Möbel – doch dieses Jahr liegt ein Fokus auch auf den jüngsten Besuchern: „Grassi für Kinder“ heißt ein eigener Wettbewerb, „Design für Kinder“ ein eigener Schwerpunkt. Was man sich darunter vorzustellen hat, haben wir nachgefragt.

Für Künstler, Designer und Kunsthandwerker aus Deutschland und aus aller Welt steht ein Datum im Kalender stets ganz dick geschrieben: Ende Oktober, die Grassimesse in Leipzig. Sie ist die älteste Messe für Angewandte Kunst in Deutschland.

In dieser Woche beschäftigen wir uns in einer Serie mit diesem Bereich: der Angewandten Kunst. Darin haben wir zum Beispiel schon eine Schmuckdesignerin, einen Glasgestalter und einen Weber vorgestellt – Menschen, die schon Jahrzehnte an der Perfektion ihrer Techniken und ihrer Produkte arbeiten.

So lang sind die, um die es heute geht, noch gar nicht auf der Welt. Es geht um die jüngsten Messebesucher: die Kinder. Mit Kindern ins Museum, das ist ja immer so eine Sache. Im Grassimuseum dachte man sich: „das Fragezeichen machen wir uns einfach zum Motto“. Und so hat die Messe dieses Jahr einen eigenen Schwerpunkt „Design für Kinder“. Und eigens auch einen Wettbewerb ins Leben gerufen: „Grassi für Kinder“ heißt der. Wir stellen beides heute vor.

Angewandte Kunst – Museum und Kunst-Messe fuer Kinder 07:07

Der Beitrag zum mitlesen

Eigentlich ist so ein Museum ja eine Art Schatzkiste. Da gibt es unheimlich viel zu entdecken. In jedem Raum, in jeder Vitrine wartet etwas Neues. Aber dann gehen die Probleme auch schon los – zumindest aus der Sicht der jüngsten Besucher. Die Vitrinen sind oft zu hoch. Die Texte versteht kein Mensch. Und Anfassen darf man auch nix! Im Grassimuseum steht man seit eh und je vor diesen Herausforderungen. Museumspädagogen kümmern sich hier um die Jüngsten. Aber zu tun gibt’s auf dieser Baustelle noch genug, wie die Direktorin Eva Maria Hoyer erklärt:

Da gibt’s einen ganz speziellen Hintergrund. Natürlich war uns Gestaltung für Kinder schon immer wichtig. Aber uns fehlt hier im Grassi ein Einstieg für Kinder. Wenn man hier in unser Foyer kommt gibt’s zwar vier oder fünf solche kubischen Sitzgelegenheiten. Das war also schon lange ein Anliegen, die Situation zu verbessern.

Aus dem Anliegen ist ein eigener Wettbewerb geworden: „Grassi für Kinder“. Die Aufgabe: das Foyer des Museum soll Kinder neugierig machen und ihnen den Weg in die Sammlungen ebnen.

Wir hatten 57 Wettbewerbsbeiträge. Daraus hat eine Fach-Jury 9 ausgewählt. Die sind schon vor der Grassimesse zu sehen. Und der für das Museum am besten geeignete ausgewählte Beitrag wird zur Grassimesse prämiert und soll danach umgesetzt werden.

Dr. Eva Maria Hoyer - Direktorin der Grassimesse und des Grassimuseums

Direktorin der Grassimesse und des Grassimuseums
„Offenheit an den Tag zu legen. Neugierig sein. Selber nach Wegen zu suchen, die nicht ausgetreten sind.“Dr. Eva Maria Hoyer

Die neun ausgewählten Ideen aus dem Wettbewerb werden im Museum gezeigt, schon vor der Grassimesse. Sie sollen Kindern und Jugendlichen einen Einstieg bieten in das, was in den Sammlungen des Museums zu sehen ist. Neugierig zu machen. Und nicht nur für das Museum, auch für die Messe wurde das Thema in den Fokus genommen. So hat die Grassimesse in diesem Jahr einen eigenen Schwerpunkt namens „Design für Kinder“. Dort präsentiert sich zum Beispiel die Firma afilii – eine Plattform aus Berlin, die Möbel, Lern- und Spielmittel für Kinder entwickelt. Aber auch von weit entfernt kommt ein interessanter Beitrag:

Professor Kuno Prey aus Italien, von der Universität Bozen, der ganz spannende Dinge mit seinen Studenten macht. Von einer seiner Klassen wird ein Projekt zu sehen sein, nämlich: die Cullami! Das sind Wiegen. Und zwar acht Kinderwiegen, die entstanden sind, um die heimische Industrie in Cortina d’Ampezzo in Italien zu beleben, in verbindung zu bringen mit jungen Designern, um dort langlebige Dinge zu schaffen. Und da sind mitwachsende Kinderwiegen entstanden, die bis zum Jugendalter – natürlich nicht mehr als Kinderwiegen – dienen. Sondern die als Schreibtisch nachher zu benutzen sind, in der Zwischenzeit für die halbgroßen Kinder als Höhle, als Hütte…

Und auch Studierende der Kunsthochschule Burg Giebichenstein aus Halle sind vor Ort. An der Burg gibt es den einzigen Lehrstuhl für Spiel- und Lernmittel, Karin Schmidt-Ruhland hat ihn inne. Und macht gleich deutlich: das hier geht alle etwas an!

Lebenslanges Lernen ist das Thema, das geht bis ins hohe Alter. Man sagt ja so: am Anfang spielt man. Dann verlernt man das Spielen. Dann spielt man eigentlich immer noch, aber es nennt dann niemand mehr so. Also: wir emanzipieren ein bisschen diesen Begriff des Spielens auch. Andersrum wird er natürlich auch sehr inflationär benutzt: jeder sagt, ‚das ist ja spielerisch’, oder ‚da spielen wir mal’. So ähnlich wie mit der Designer-Zahnbürste. ‚Design’ wird ja auch inflationär benutzt. Also man muss schon sehen, dass man da so Trennungsschärfe hinbekommt.

Die Studenten arbeiten direkt mit den Kindern. Und das heißt nicht selten auch: einfach mal mit spielen!

Teilnehmende Beobachtung heißt: wir gucken zu. Und Partizipation heißt: wir reden und spielen auch mit den Kindern und erleben dabei, wie es eigentlich ist. Und fragen sie dann auch, was sie sich vielleicht wünschen. Wir geben ihnen auch Setzungen, machen Probeinstallationen, gucken wie sie damit umgehen – um daran zu lernen, was eigentlich das Problem ist, was wir zu lösen haben. Denn eigentlich sind Designer ja Problemlöser.

Eine der schwierigsten Aufgaben hierbei ist: das Problem erst einmal erkennen. Wie ein Spielzeug, wie ein Möbel für Kinder auszusehen hat? Das bedeutet auch, dass sich die Studierenden Dinge anschauen müssen, von denen jeder das Gefühl hat: die sind doch eigentlich fertig.

Das war zum Beispiel einmal das Schaukelpferd. Also was heißt das eigentlich? Dynamisches Sitzen ist impliziert da drin. Die Bewegung ist impliziert da drin. Und das muss auch nicht unbedingt ein Pferd sein. Und da sind unterschiedliche Geschichten bei rausgekommen. Bis hin zum Campingstuhl, auf dem man Wippen kann – und der ja nicht nur für Kinder sein kann. Also: das neue hingucken ist ganz wichtig. Aber ich glaube, das ist prinzipiell im Design so.

Wenn es um Gestaltung für Kinder geht, geht es natürlich schnell auch um Sicherheit. Ein Spielplatz, ein Kinderzimmer-Möbel – das muss gewissen Vorgaben entsprechen. Dennoch ruft Karin Schmidt-Ruhland auch dazu auf, das alles nicht immer nur zu ernst zu nehmen:

Das gibt’s natürlich auch: alle Regeln dieser Welt! Da machen wir’s den Amerikanern auch sehr stark nach. Da sind ja die Vorgaben nochmal strenger. Manchmal muss man sich aber auch wundern. Wenn man nen Katalog hat, den abhakt, beim Spielplatz zum Beispiel: da kann man fast gar nicht mehr spielen! Also: mit der Gefahr auch leben. Muss man ja auch lernen. Warum muss alles glatt und abgelutscht sein? Ein Fels ist ein Fels ist ein Fels. Da kann ich mich natürlich mal dran schrammen. Und wenn ich das nicht gemacht habe, werde ich nie vorsichtig in die Berge gehen. Ich würde sagen: lasst sie machen, ganz vorsichtig – das wird schon!

Ganz in diesem Sinne ist auch eine der Einreichungen dieses Jahr, die der Grassi-Direktorin Eva Maria Hoyer im Gedächtnis geblieben ist – und die die Kinder eben nicht in ihrem Bewegungsdrang im Museum bremsen will:

Es gibt einen ganz interessanten Beitrag, der einfach auch Freude macht. Nämlich ein Laufrad aus verschiedenen üebreinander geschichteten Papplagen, das vorgefertigt zu haben ist, für kleine Kinder ab 3 mit dem man durch die Ausstellung düsen kann. Und das wird man hier auch können. `Ne schöne Sache aus sehr umweltfreundlichem Material.

Die Grassimesse zeigt seit jeher Arbeiten rund um Schmuck, Mode, Keramik, Glas, Metall und Papier. Dass sie sich in diesem Jahr auch den Jüngsten zuwendet, das war auch eine neue Erfahrung für das Team und die Jury. Wenn es also um „Lebenslanges Lernen“ geht beim Spielen: was hat die Direktorin der Grassimesse am diesjährigen Schwerpunkt gelernt?

Offenheit an den Tag zu legen. Neugierig sein. Selber nach Wegen zu suchen, die nicht ausgetreten sind. Zu gucken: was interessiert denn Kinder auch? Und wir haben auch Informationen entwickelt, die uns weiterhelfen, die Bedürfnisse von Kindern und Erwachsenen zusammenzubringen. Und da ist erst ein Anfang gemacht.


Die Serie „Angewandte Kunst“ auf detektor.fm ist
eine Kooperation mit der Grassimesse.

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Vom 24. bis 26. Oktober in Leipzig

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