Früher war es einfacher. Werbung hieß einfach nur Werbung. Den Begriff „Marketing“ gab es noch nicht. Und worum es ging, war auch klar: Wir sollten ein Produkt kaufen. Heute sind wir das Produkt. Wir werden selbst zum Werbeträger, ohne es zu wollen. Manche werden gar zur Marketing-Ikone, ohne jemals Marketing betrieben zu haben. So wie Christoph Keller.
Also alles schlechter? Vielleicht nicht. Wir reden darüber – im aktuellen „brand eins Magazin zum Hören“ mit den Schwerpunkt „Marketing“. An dieser Stelle veröffentlichen wir ein Interview aus der Sendung in einer längeren Fassung als Bonustrack.
Christoph Keller ist 47 Jahre alt. Und macht Schluss. Schluss, weil er zu erfolgreich ist.
Keller ist einer der Köpfe hinter Monkey47, dem erfolgreichsten Gin der vergangenen Jahrzehnte. Und er betreibt die Stählemühle. Von dort kommen – und das aus seiner Hände Arbeit – einige der feinsten Spirituosen der Welt. Die besten Bars und Restaurants weltweit bieten seine Brände an. Dabei sollte das eigentlich alles ganz anders kommen.
Christoph Keller hat schon ein Berufsleben hinter sich. Nach dem Studium hatte er in Frankfurt einen Verlag für Kunstbücher gegründet – einen Verlag, der in kurzer Zeit zur wichtigsten Adresse für junge, zeitgenössische Kunst wird. Christoph Keller arbeitet leidenschaftlich und viel. Und er hat einen guten Instinkt.
Von einem, der auszog, das Beste zu machen
Seine Kunstbände gelten vielen noch heute als die besten. Doch die Sache wuchs sich aus, schneller, als es Christoph Keller lieb war. “ Zum Verlag in Frankfurt kam bald eine Professur in Hamburg. Keller kuratierte Ausstellungen, schrieb Artikel, hielt Vorträge; (…) Arbeit, die ihn auffraß. Und zu Hause zwei kleine Kinder, die er selten sah – so durfte es nicht weitergehen.“ – schrieb 2011 die brand eins über ihn.
Christoph Keller legte einen Neustart hin. Einen bildgewaltigen, passenderweise. Im Immobilienteil einer Zeitung stolperte er eines Tages über eine Annonce für die Stählemühle: ein Hof in der Nähe des Bodensees. Die Familie entschied sich, das Grundstück zu kaufen und aufs Land zu ziehen.
Brennen oder nicht brennen?
Doch eines Tages stand der Zoll vor der Tür. Auf der Stählemühle läge ein altes Brennrecht, das Keller ausüben dürfe – das allerdings verfalle, nutzte er es nicht. Christoph Kellers Neugier war geweckt.
Sechs Jahre später steht der Begriff „Stählemühle“ für Destillate und Obstbrände höchster Qualität. Keller brennt Obstsorten, die niemand mehr brennt und kaum noch einer kennt. Und er ist erneut erfolgreich. Sehr erfolgreich. Genau das aber ist sein Problem.
Die Schere in der Gesellschaft geht immer weiter auseinander. Die einen sind so gelangweilt, dass sie gar nicht mehr wissen, was sie noch in sich reinstopfen sollen, während die anderen am verhungern sind. Und wir arbeiten natürlich nur für den einen Teil der Gesellschaft – der ja so gelangweilt ist, weil es ja keine Statussymbole mehr gibt.
Nach oben gibt’s kein Mitleid
Das Ziel war: entschleunigen. Die Realität wurde: Es gibt kein Bremspedal. Christoph Keller ist Perfektionist. Er setzt auf traditionelle Verfahren und eigener Hände Arbeit. Er verwendet regionale Produkte und findet den Hype um die Craft-Bewegung – zurückhaltend gesprochen – bedenklich.
Mit anderen Worten: Christoph Keller wurde zur Marketing-Ikone, obwohl er auf Marketing nie Wert gelegt hat. Ein Dilemma, das sich für ihn nur auf eine Weise lösen lässt: den zweiten Schlussstrich.
Christoph Keller wird aufhören. Weil zu viel Erfolg zu wenig Platz zum Leben ließ. Was kann man also daraus lernen? Das konnten wir ihn glücklicherweise selbst fragen.
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