Dieser Podcast ist eine Kooperation von piqd.de und detektor.fm
Erinnert ihr euch noch an den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik? Einfach heruntergebrochen: Bei der Umwandlung von Energien entstehen immer Verluste, alles erschöpft sich. Diese Entdeckung ging nicht nur in unsere Schulbücher ein, sondern wurde in den Diskursen des 19. Jahrhunderts oft als Beschreibung für die ermüdete Gesellschaft benutzt.
Der Autor und Literaturwissenschaftler Kevin Vennemann ist in seinem aktuellen Buch diesem Energieverlust der bürgerlichen Gesellschaft gefolgt. Er liest in „Die Welt vom Rücken des Kranichs. Thermodynamik und der Verfall einer Familie“ (2020 bei Matthes & Seitz Berlin erschienen) die „Buddenbrooks“ als eine Erschöpfungschronik. Vennemanns Buch ist ein Close Reading des Debütromans von Thomas Mann und eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlich zu Tode gehetzten Frauenfiguren der Literatur des langen 19. Jahrhunderts.
Kevin Vennemann und die müde Gesellschaft
Mitgebracht hat Kevin Vennemann zum Gespräch drei seiner Lieblingstexte: „The House of Myrth“ von Edith Wharton, „Heilig Blut” von Gisela Elsner und die Erzählung „Winter in den Abruzzen“ von Natalia Ginzburg, die man in dem Band „Kleine Tugenden“ findet. Die Texte führen zu Gesprächen über Müdigkeit, politische Literatur, Sadismus und Antifaschismus und lassen sich auch auf die Gegenwart übertragen. Natalia Ginzburgs Erfahrungen aus dem Exil, in dem sie verbannt von den Faschisten in einem monotonen Alltag gefangen war, machen Mut für die Situation während der Coronapandemie:
Der 1977 in Dorsten geborene und heute in Los Angeles lebende Autor hat schon einige empfehlenswerte Romane und Essays geschrieben. „Nahe Jedenew“, „Mara Kogoj“ und „Sunset Boulevard. Vom Filmen, Bauen und Sterben in Los Angeles“. Bekannt wurde er hierzulande aber auch mit den Übersetzungen von Marc Greif, Franco Berardi und Chris Kraus. Er lehrt am Scripps College Claremont, Kalifornien. Im Gespräch mit Mascha Jacobs erzählt er unter anderem von seinem aktuellen Buch.