+++ Das „Hörkunst Labor“ präsentiert in der Freistunde an jedem letzten Sonntag im Monat studentische Arbeiten aus Instituten für Medienkunst +++
Recyklang von Maria Antonia Schmidt
Nach der Produktion eines Tonträgers fallen Unmengen von ungebrauchten Spuren, Schnipseln und Geräuschen an. Dateien, die man löschen könnte oder aber auch, die ‐ wie in diesem Falle geschehen ‐ als Material und Inspiration für neue Kompositionen dienen können.
Maria Antonia Schmidt hat als Pendant zum Musikalbum „Hab & Hut“ ihrer Band „Chapeau Claque“ drei experimentelle Stücke produziert. „I know you“, “Menchenfresser Aku“ und „Schöner Moment“ . Das letzte Stück arbeitet darüber hinaus mit O‐Tonmaterial einer Deutschlandradio‐Debatte zum Thema Atomenergie.
- Regie und Produktion: Maria Antonia Schmidt
- Länge: 2:41 min, 3:36 min und 1:51 min
- Produktion: Experimentelles Radio der Bauhaus Universität Weimar 2010
Maria Antonia Schmidt über das Recyceln von Klängen:
Dass man Dinge recyceln, und aus „Abfall“ wieder neue, eigenständige Dinge machen kann, ist uns bekannt. Neben dem hauptsächlichen Ansatz des Recyclings, der Wiederverwertung von Materialien aus Nachhaltigkeitsgründen, gibt es einen weiteren, einen künstlerischen Ansatz Material zu recyceln: die Dinge ihrer alten Form entziehen, entrücken und in eine neue spannende Form zu verwandeln.
Verlässt man die Welt des Materiellen und begibt sich in die Welt der Klänge findet man auch hier Unmengen an überschüssigem Klangmaterial, dass auf vielen Musik- und Audioproduktionen keinen Platz gefunden hat. Auch hier fallen nach der Produktion eines Tonträgers Unmengen von ungebrauchten Spuren, Schnipseln und Geräuschen an. Sicherlich könnte man die Dateien schlichtweg in den Papierkorb werfen und auf „Papierkorb entleeren“ drücken, allerdings reizte es mich auch hier mit den überschüssigen Material „recycelte Musik“ zu machen.
Der Reiz dabei ist, dass man sich selber Grenzen setzt, indem man sich beim Komponieren hauptsächlich auf das Ausschussmaterial beschränkt. In diesem Fall handelt es sich um die nichtverwendeten Studiospuren der „Hab&Hut“ Albumproduktion von Chapeau Claque. Die Stücke, die hierbei entstanden sind, zeugen von teils dadaistischer, klangexperimenteller Natur. Wer genau hinhört kann das Ausgangswerk vielleicht erraten.
Das denkt die Redaktion:
In den drei Kurzstücken wirken bearbeitete Geräusch- und Klangschnipsel in die musikalisch-rhythmische Textualität der Pop Songs ein: Die Melodie wird strukturiert von Papierreißen und Feuerwerk, getragen von weichem Knarren und Tuten. Der assoziative Anteil der Geräusche wirkt narrativ und erinnert den Zuhörer unterschwellig an die kreative Sensibilität, seine Wirklichkeit musikalisch zu begreifen.
Dass Alltagsgeräusche in Songs zu Klangwerk werden, ist nicht neu, bei Maria Antonia Schmidt aber sehr reizvoll. Die Klangelemente sind weich, moderat und transparent komponiert, was den Songs einen leichten und verträumten Charakter gibt. Verschränkt mit O-Tonmaterial einer Deutschlandradio-Debatte zum Thema Atomenergie wird dieser Charakter zur politischen Haltung – auf der Länge des Songs „Schöner Moment“ kann diese allerdings nur eine oberflächliche sein.
Sofia Flesch Baldin
Blank von Elena Zieser
Wir gehen auf unseren Beinen, auf unseren Füßen. Wir bewegen uns fort. Tastend, mutig und leichtsinnig. Jedes Körperteil hat seine Funktion. Vorankommen, losrennen, hinfallen, weitermachen. Berühren wir uns, fallen wir. Oder lachen. Manchmal geht uns im Lauf etwas verloren.
Ein Hörstück über den Weg des Lebens und wie wir ihn gehen.
- Sprecher: Stephan Siegfried
- Regie und Schnitt: Elena Zieser
- Musik: Frederik Burkhart
- Mastering: Mario Weise
- Produktion: Experimentelles Radio der Bauhaus Universität Weimar 2010/2011
- Nach einer Textvorlage von Tina Ilse Maria Gintrowski
- Länge: 8:21 min
Elena Zieser über ihre erste Studioproduktion:
„Blank“ ist mein erstes Hörspiel. Ich war im zweiten Semester und habe diesen Kurs an der Uni Weimar belegt, der in Kooperation mit den Puppenschauspielern der Ernst Busch stattfand. Ich erinnere mich, dass alles einfach sehr aufregend war: Das erste Mal im Studio mit professionellen Sprechern und Sprecherinnen, Regieanweisungen geben. Ich erinnere mich, dass wir auch nur begrenzt Zeit hatten und unsere Dispo sehr genau einhalten mussten, um ein Gefühl für die Arbeitszeit im Studio zu bekommen.
Ich hatte die Idee, den Sprecher in verschiedenen Sprachhaltungen aufzunehmen. Diese „Methode“ habe ich in einem Workshop mit Ulrich Gerhardt kennengelernt. Ich finde es spannend, was für eine Dynamik ein und dieselbe Stimme entwickeln kann. Manchmal zweifelt man sogar, ob es wirklich noch derselbe Sprecher ist. Ich weiß noch, dass ich den Text jeden Tag anders gelesen habe. Manchmal fand ich ihn zutiefst traurig und deprimierend und dann wieder sehr fröhlich.
Für mich war diese Arbeit der Beginn, Hörspiele zu produzieren. Und ich glaube, so ein erstes Mal im Studio vergisst man nie.
Das denkt die Redaktion:
Das Wort „Blank“ bedeutet soviel wie „schimmernd“, „entblößt“ oder auch „pleite“. In diesem Stück nimmt das sprechende „Wir“ die „blanke“ Subjektivität körperlicher Bewegung ein. Deren Wahrnehmung ist die offen gelegter Nerven.
Die Entdeckungen und Gedanken sind zu einer vielschichtigen Klang- und Wortkomposition verdichtet, die die körperliche Spur der Stimmungen und Bilder konsequent verfolgt. Der Sprecher vermittelt stimmlich unkommentiert die wechselnden, schimmernden Zustände dieses „Blankseins“, was das Stück sehr intensiv macht.
Das Stück ist eine poetisch-musikalische Gesprächigkeit körperlicher Bewegung im Kaleidoskop einer hypersensiblen Subjektivität – die potentiell „unsere“ Subjektivität sein könnte.
Sofia Flesch Baldin
Nach der Produktion eines Tonträgers fallen Unmengen von ungebrauchten
Spuren , Schnipseln und Geräuschen an. Dateien, die man löschen könnte oder aber, die ‐
wie i n diesem Falle geschehen ‐ als Material und Inspiration für neue Kompositionen
dienen können.
„Recyklang“ ist das experimentelle Pendant zum eigentlichen „Chapeau Claque“‐ Musik‐
Album „Hab & Hut“. Das Stück „Schöner Moment“ arbeitet darüber hinaus mit O‐
Tonmaterial einer Deutschlandradio‐Debatte zum Thema Atomenergie.