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Freistunde | “Iranian Voices” – Hörspiel von Oliver Kontny

Der Alltag in der Islamischen Republik ist nach der Zerschlagung des Aufstands von Paradoxien geprägt. Wie soll man aber Geschichten aus dem Iran erzählen, wenn das persönliche Verhältnis zu ihm selbst voller Widerstände, aber auch Berührungspunkte ist? Das Hörspiel „Iranian Voices – Republik der Verrückten“ von Oliver Kontny erzeugt ein komplexes, spannendes Verhältnis von Geschichten und Geschichte – und gewann beim diesjährigen Berliner Hörspielfestival den 1. Preis im Langhörspielwettbewerb.

+++ Im November präsentiert die Freistunde die Preisträgerstücke des diesjährigen Berliner Hörspielfestival – Festival des freien Hörspiels +++


Iranian Voices – Republik der Verrückten

Acht Sprecherinnen und Sprecher erzählen Geschichten zur Lage im Iran nach der Niederschlagung des Aufstandes im Jahr 2009. Dokumentarisches Material wird in das berühmte persische Liebesepos von Laila und Madjnun gewoben.

beim Berliner Hörspielfestival
Foto: © Tim Zülch
Oliver Kontny

Eine Sechzehnjährige, die ihren Vergewaltiger erschlägt. Ein schwer depressiver Student, der im Park einen Mann küsst. Ein Richter, der immer wieder Frauen zum Tode verurteilt. Eine Mutter, die sich für ihren schwulen Sohn einsetzt. Menschen, die nicht mehr mitmachen. Vor der Folie der Erzählung vom wahnsinnigen Dichter Madjnun und seiner stummen Geliebten Laila erkämpfen die Sprecherinnen sich eine eigene Haltung gegenüber den Ereignissen im heutigen Iran.

Komponist und Bandleader Marc Sinan war mit der iranischen Musiklegende Kayhan Kalhor im Studio und setzt gegen die klassisch-persischen Miniaturen ironische, einfühlsame und brachiale Soundscapes mit der serbischen Jazzsängerin Jelena Kuljic.

Das Hörspiel von Oliver Kontny ist Teil der internationalen Reihe Iranian Voices. Iniziiert vom schwedischen Tourneeteater Riksteatern entstehen in vier Ländern und in fünf Sprachen Hörspiele, die sich mit den anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in der islamischen Republik Iran beschäftigen.


Die Jurybegründungen des 5. Berliner Hörspielfestivals 2013 im Wortlaut:

Die literarischen, dokumentarischen und musikalischen Elemente, die sich Oliver Kontnys Hörspiel „Iranian Voices – Republik der Verrückten“ zu einer radiophonen Gesamtkomposition vereinigen, würden schon für sich alleine gesehen Stoff für ein Hörspiel, ein Feature und ein Klangkunststück ergeben. Die altpersische Liebesgeschichte von Laila und Madjnun lässt sich mühelos an gegenwärtige Liebes- und Genderdiskurse anschließen.

Die Nachrichten aus der misogynen und homophoben Welt der verrückten islamischen Republik Iran befeuern die politischen Diskussionen um Freiheit und Emanzipation aus islamistischen oder anderen Diktaturen. Die Musik des Gitarristen und Komponisten Marc Sinan schließlich erfüllt nie eine nur folkloristisch-illustrative Funktion, sondern ist hörbar von Einflüssen der Neuen Musik und (in ihren vokalen Passagen) des Free-Jazz geprägt. Die Sprechhaltungen der Stimmen in „Iranian Voices“ variieren: vom kühl-sarkastischen Konstatieren staatlich sanktionierter Grausamkeiten bis hin zu chorischer Hysterie bei ihrer Verteidigung in einer Gerichtsverhandlung.

Insgesamt ergibt sich ein formal wie inhaltlich ungemein reichhaltiges Stück und eine – trotz des teilweise bedrückenden Themas – lustvolle Überforderung des Hörers, der bei jedem Hören neue Dimensionen des ebenso literarischen wie realitätsgesättigten Stückes entdecken wird.

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