Beipackzettel, Wegweiser oder einfach nur die Zeitung – keine Frage: Lesen und Schreiben sind elementare Säulen unseres Alltagslebens. Die meisten Menschen lesen und schreiben so selbstverständlich, dass sie es gar nicht mehr bewusst wahrnehmen.
Ganz anders sieht das bei Menschen mit Lese- und Schreibschwäche aus, die unter der so genannten Legasthenie leiden. Blicken diese Betroffenen auf einen Text, tanzen die Buchstaben im wahrsten Sinne aus der Reihe.
Vorurteile und der Teufelskreis der Scham
Gerade bei Kindern ist Legasthenie nicht leicht festzustellen, weil es ihnen völlig normal erscheint. Wird die Legasthenie nicht entdeckt, können Betroffene ihr gesamtes Leben lang unter Benachteiligungen leiden – und haben mit Vorurteilen zu kämpfen. Wer nicht richtig lesen kann, sei weniger intelligent, ist so eines – wer nur genug übt, bekomme das schon weg, ein anderes. Keines von beiden stimmt. Lese- und Rechtschreibschwächen sind kognitive Störungen – so ähnlich wie Farbenblindheit.
In der Schule setzt dann oft ein Teufelskreis ein: weil die Legasthenie nicht entdeckt wurde, verhalten sich die Lehrer falsch. Misserfolge und der Zwang zum laut Vorlesen sorgen immer öfter für peinliche Situationen – und Scham bei den Betroffenen, die demotiviert werden und sich in sich selbst zurückziehen. Diese Spirale zu durchbrechen, ist schwer – und die Kinder tragen nicht selten ein Leben lang die schmerzhaften Erinnerungen mit sich herum.
Woran erkennt man also Legasthenie? Und wie wird Betroffenen geholfen? Darüber haben wir mit Annette Höinghaus gesprochen. Sie ist die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie e.V. und Mutter zweier betroffener Kinder.