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Die Arktis ist direkt vom Klimawandel bedroht: Je schneller die Erde sich erwärmt, desto mehr Eis schmilzt an der nördlichen Polkappe. Dadurch steigt der Meeresspiegel, und langfristig verschwinden ganze Landstriche im Wasser. Vielleicht noch schlimmer ist aber, dass auch große Flächen der arktischen Permafrostböden zu tauen begonnen haben.
Wo der Boden bislang ganzjährig gefroren war, finden sich jetzt häufig Sumpflandschaften. Das könnte den Klimawandel beschleunigen.
Wenn wir in die Region fahren und Forschungen machen, sagen wir, die Tundra beginnt zu kochen. – Hans-Wolfgang Hubberten
Das Problem daran: In den Permafrost-Böden stecken große Mengen Kohlenstoff. Taut der Permafrost, dann wird dieser Kohlenstoff in Treibhausgase verwandelt, die die globale Erwärmung zusätzlich ankurbeln.
Hans-Wolfgang Hubberten erforscht die Permafrostböden der Arktis seit Jahrzehnten. Er leitet die Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung und erklärt, warum tauender Permafrost eine große Gefahr für das globale Klima ist.
Der Beitrag zum Nachlesen:
Etwa ein Viertel der Erde ist das ganze Jahr über gefroren, daher bezeichnet man diese Böden als Permafrost. Stellenweise reicht der Frost dort mehrere hundert Meter tief. Die größten Permafrost-Flächen hat Russland mit etwa 60 Prozent seines Staatsgebietes. Nur während des kurzen arktischen Sommers regt sich dort das Leben, wenn die oberste Schicht vorübergehend antaut und die Oberfläche sumpfig wird, sagt der Arktis-Forscher Hans-Wolfgang Hubberten:
Wenn wir in die Region selbst fahren und Forschungen machen, sagen wir, die Tundra beginnt zu kochen. Da geht es dann richtig los, da sprudelt das Leben und versucht in diesen paar Wochen, in den paar Monaten, wo es wärmer ist, wo es flüssiges Wasser hat, alles nachzuholen, was es sonst im Rest des Jahres verpasst hat. – Hans-Wolfgang Hubberten
Hans-Wolfgang Hubberten leitet die Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung. Mehr als zwanzig Jahre lang ist er fast jedes Jahr in die Arktis gereist und hat die Permafrostböden erforscht, im Sommer, wenn es dort 24 Stunden lang hell ist.
Wenn das Wetter schön ist, arbeitet man manchmal 10, 12, 20 Stunden, steht im Dreck, im Schlamm, und versucht irgendwo gute Ergebnisse, gute Proben zu bekommen und gleichzeitig auch ein bisschen Spaß zu haben. – Hans-Wolfgang Hubberten
Doch der Spaß kann einem vergehen, wenn man über Jahrzehnte beobachtet, wie die Arktis sich verändert. Denn der Permafrost hat längst begonnen zu tauen. Wo früher Wälder auf hartem Boden standen, ist heute das ganze Jahr über Sumpf. In bewohnten Gebieten versacken Häuser in der aufgeweichten Erde, Bahntrassen verbiegen sich und werden unbenutzbar.
Also man weiß, dass Boden sich erwärmt, das sind Messungen, die kann man seit 10, 20, 30 Jahren verfolgen. Wo an vielen Punkten in Permafrost-Regionen jeden Sommer die Auftau-Tiefe gemessen wird, hat man Daten, die zeigen, dass sich zwar nicht überall gleich, aber in manchen Gegenden das jährliche Auftauen im Sommer doch schon um 10, 20, 30 Prozent erhöht hat im Vergleich zu vor 10, 15 Jahren. – Hans-Wolfgang Hubberten
Das Hauptproblem daran ist, dass der tauende Permafrost gewaltige Mengen Treibhausgase freisetzen könnte. Denn die Böden enthalten sehr viel Kohlenstoff – in etwa noch einmal so viel, wie derzeit schon in der Atmosphäre ist, sagt Arktisforscher Hubberten.
Das können wir messen. Wir führen also im Boden Schürfe durch, wir machen tiefe Bohrungen, untersuchen, wie viel Kohlenstoff drin ist und nicht nur was für Kohlenstoff drin ist, sondern was das war, ob das Pflanzenreste sind, ob das Reste sind von irgendwelchen Organismen, von Tieren, bis hin zu Resten von großen Tieren wie Mammut oder Großsäuger, die da sich getummelt haben in der Tundra – wir machen also ganz genaue Untersuchungen, um festzustellen, wie viel Kohlenstoff ist in welcher Fläche Permafrost-Untergrund vorhanden. – Hans-Wolfgang Hubberten
Wenn die Böden tauen, werden darin Mikroorganismen aktiv und verwandeln den Kohlenstoff in Treibhausgase wie CO2 oder Methan. Diese verschärfen den Treibhauseffekt, in der Folge tauen die Böden noch schneller und es kann ein Teufelskreis entstehen. Doch ob es dazu kommt, ist noch unklar. Denn wo es taut, sprießen auch neue Pflanzen, die der Atmosphäre wiederum CO2 entziehen. Im besten Fall nehmen sie sogar mehr CO2 auf, als aus dem tauenden Boden aufsteigt – dann spricht man von einer CO2-Senke. Doch die Pflanzen ändern nichts am Ausstoß von Methan, und das ist ein 20 bis 30 mal so starkes Treibhausgas ist wie CO2.
Das heißt, im Moment ist von Region zu Region verschieden noch ein bisschen ein Ausgleich zwischen dem Aufsaugen von CO2 und dem Emittieren von Methan. Es gibt Anzeichen, dass sich das ändert, dass sich also irgendwann die Tundra oder die Moorgebiete von einer Senke zu einer Quelle von CO2 entwickeln können. Dass Methan weiter freigesetzt wird, stärker freigesetzt wird, ich denke, daran besteht kein Zweifel. – Hans-Wolfgang Hubberten
Das Problem drängt, denn die Arktis erwärmt sich schneller als der Rest des Planeten. Schuld ist der so genannte Albedo-Effekt: Wenn die weißen Gletscher schmelzen, kommt immer mehr dunkle Erdoberfläche zum Vorschein, das Sonnenlicht wird weniger reflektiert, und die Böden erwärmen sich. Für das europäische Klima könnte eine wärmere Arktis genau das Gegenteil bewirken: In unseren Breitengraden könnte es in der Folge kälter werden, erklärt Arktisforscher Hubberten.
Wir haben ja zum Beispiel in den letzten beiden Wintern, die sehr kalt waren, den größten Meereis-Rückgang im Sommer in der Arktis. Und es gibt Kollegen, die publiziert haben, dass ein Zusammenhang damit besteht, dass wenn die Arktis im Sommer mehr Wärme absorbiert, dass dann mehr kalte Hochs von der Arktis nach Europa kommen. Aber wie sich diese Zirkulationsmuster wirklich verändern, da sind die Modelle im Moment auch noch nicht gut genug. – Hans-Wolfgang Hubberten
Noch sind die Veränderungen in der Arktis also nicht ausreichend untersucht. Aber je mehr Daten Hans-Wolfgang Hubberten und seine Kollegen in den kommenden Jahren in der Arktis sammeln, desto genauer werden auch die Klimamodelle.