Seit 2003 richtet der Hörspielsommer e.V. den Internationalen Hörspielwettbewerb aus. Der Wettbewerb richtet sich an Hörspielmacherinnen und Hörspielmacher der Freien Szene, den Hörspielnachwuchs und all jene, die ihre Stücke unabhängig von Verlagen oder Sendern erstellt haben. Die alle erhalten so für ihre Hörspiele eine Plattform, auf der ihre Produktionen öffentlich präsentiert und von einer qualifizierten Jury bewertet werden.
Für den 14. Internationalen Hörspielwettbewerb 2016 wurden 86 Stücke aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, den USA, Frankreich und Serbien eingereicht. Davon kamen 17 in den Wettbewerb, aus denen drei von einer Fachjury während des Festivals prämiert wurden. An der Jury beteiligten sich in diesem Jahr die Gewinnerin des Vorjahres, Melanie Albrecht (friendlyfire), Anja Herrenbrück (Hörspielautorin und -regisseurin) und Hans-Peter Göldner (Hörspielgemeinschaft).
Die Freistunde auf detektor.fm sendet im August die drei prämierten Hörspiele des Wettbewerbes: immer sonntags zwischen 18 und 19 Uhr.
Beste Idee: „Sekundenschlaf“ von Leo Hoffmann & Anastasia Joannidis
Welche Rolle spielt das Geräusch im Hörspiel? Und wie klingt es? Wie realistisch muss eine Hupe klingen, oder das klappernde Besteck? Im Inneren eines fahrenden Wagens erwartet uns eine Jonglage mit der Semantik von Geräuschen und Klängen im Hörspiel. Während eines Sekundenschlafes führen uns Leo Hoffmann und Anastasia Ioannidis durch drei mögliche Klangräume.
Die Jury zeichnete das in der Kategorie „Beste Idee“ aus, und schreibt in ihrer Begründung: Diesem Stück könnte man einen Hörspiel-Beipackzettel mitgeben, auf dem es heißt „zu Risiken und Nebenwirkungen, fragen Sie…“ Aus dem Versatz von Sprache und Geräuschen wird ein Spiel mit dem Hörer und seiner eigenen Wahrnehmung, ein Spiel mit akustischen Puzzleteilen. Ein kunstvoll komponiertes, lustiges, beeindruckendes Hörspiel, das zeigt, wie wirkmächtig die verschiedenen Hörspielmittel sein können.
Zu hören am 7. August um 18.00 Uhr
Beste Inszenierung: „Die Sternensaat“ von Max Lange
Ein dystopisches Sci-Fi-Hörspiel, dass sich mit den ideologischen und sozialen Umbrüchen im Deutschland des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt. Stockhausen meets Nietzsche meets Hippies im Weltraum. Max Lange collagiert Fiktion mit Archivmaterial und schafft einen surreal-satirischen Kommentar zur Genealogie des heutigen Zeitgeists.
Hier erfahren wir Hörspiel mit seiner ganzen Kompetenz: Sprache und Klang erschaffen eine fremde und ganz eigene Welt. Sie ist akustisch erlebbar und glaubhaft, schreibt die Jury und zeichnete das Hörspiel mit dem Preis für die „Beste Inszenierung“ aus.
Zu hören am: 14. August um 18.00 Uhr
Bestes Klangbild: „Kreisende Fragmente eines Datendiebes“ von Janiv Oron
»Die Pragmatik des DJ/ane gehorcht einem Rhythmus, sie ist die Synthese eines Metrums, das den Takt in re-gel-mä-ßi-gen Abständen schlägt.« Wie hört sich das an, wenn Sprache die Kunst des Musikmixens zu beschreiben sucht? Welchen Takt, welchen Ton schlägt sie an? Janiv Orons Hörspiel ist hörende Wissenschaft, die die Arbeitsweise des DJs mit Mitteln der akustischen Kunst reflektiert und verortet.
Das Hörspiel erhielt den Preis in der Kategorie „Bestes Klangbild“, die Jury schreibt begeistert: Scratch! Boom! Beat! The art of mixing – Janiv Oron montiert die verschiedenen Elemente souverän, demonstriert gekonnt unterschiedliche Wahrnehmungsweisen des Sonischen und bringt das Material in einen dramaturgisch genialen Rhythmus. Das Stück generiert Lust, sich selbst an die Turntables zu stellen, mehr über Ursprung und Geschichte der DJ-Kultur zu erfahren und Klänge differenzierter zu hören.
Zu hören am: 21. August um 18.00 Uhr
Lobende Erwähnungen
Am 28.8. ab 18 Uhr senden wir außerdem drei der sechs Produktionen, die von der Jury mit einer lobenden Erwähnung ausgezeichnet wurden:
„Super Cindy Sabotage“ von Hörkombinat (Elvira Isenring & Dominik Dusek)
Zürich im Jahr 2033. Die Schweiz befindet sich im Bürgerkrieg, das Regime des Eidgenössischen Eides versucht, das Land mit diktatorischer Gewalt zu kontrollieren. Als ihr Neffe Bruno in die Klauen des Regimes gerät, muss die 60-jährige Kioskfrau Monika Zünd noch einmal in ihre alte, ungeliebte Identität als scheinbar unbesiegbare Heldin Super Cindy Sabotage schlüpfen. Kann sie mit dem ihrem Paillettenkostüm und dem hochgerüsteten Laubbläser die Lage zum Besseren wenden?
Die Projekt „Hörkombinat“ hat in einem Autorenrundlauf eine groteske Hörspielserie um eine ungewöhnliche Superheldin geschaffen. Für den Wettbewerb wurden die Folgen 9 bis 12 eingereicht.
„Aus dem Reisewörterbuch“ von Regina Dürig und Christian Müller
Der Winter in Island ist dunkel und kalt. So dunkel, dass schwierig zu sagen ist, was man sieht und was man sich ausdenkt. 2013 lebten das Hörspielduo Regina Dürig und Christian Müller die Wintermonate über im isländischen Siglufjörður. In ihrem akustischen Reisewörterbuch veröffentlichen sie gefundene Klänge und erfundene Geschichten. Wir hören daraus die Einträge „Wünschen“, „Rabe“ und „Prähistorisch“.
„Tamhie“ von Fides Schopp
Migration ist alltäglich, Migration hat viele, ganz unterschiedliche Geschichten und: Migration hat es immer schon gegeben. Fides Schopp geht in ihrem Hörspiel den Prozessen, Bewertungen und Umwertungen von Migrationsbewegungen nach, und fragt: Wie könnten die Wege beschaffen sein, auf denen sich von der Gegenwart in eine gemeinsame Zukunft auswandern ließe?
Lust auf noch mehr freies Hörspiel zum Nachhören? Kein Problem. Die Shortlist des 14. Internationalen Hörspielwettbewerbs ist auf CD erschienen und kann hier erworben werden.
Redaktion: Tina Klatte