Größer, politischer aber auch massentauglicher. Diesen popkulturellen Spagat möchte die Berlinale im 65. Jahr ihres Bestehens vollbringen. In Hinblick auf die schiere Masse an Filmen, die 2015 im Wettbewerb gezeigt werden, könnte dies gelingen. Denn im Programm ist für jeden etwas dabei: Werner Herzog, Andreas Dresen oder Tree-of-Life-Regisseur Terrence Malick treten beispielsweise im Wettbewerb an. Auch genretechnisch ist fast alles vertreten. Vom Hausfrauen-Sextraum-Bestseller „Fifty Shades of Grey“ bis zum Nachwende-Epos „Als wir träumten„.
Die deutschen Filme im Wettbewerb
Andreas Dresen zeigt in „Als wir träumten“ einen jungen Mann, der sich durch die Wirren der Nachwendezeit in Leipzig kämpft. Die graue und heruntergekommene Stadt im Osten der Republik bietet die perfekte Bühne für junge Menschen, die ihre neugewonnene Freiheit genießen wollen. Sowohl der Soundtrack als auch die schnellen Bildwechsel vermitteln das Lebensefühl der damaligen Zwischenzeit. Es muss nicht immer Berlin sein.
In „Victoria“ von Sebastian Schipper tanzen junge Europäer durch das Berlin der Jetztzeit. Victoria wird in eine ereignisreiche Nacht in den Straßen der Metropole hineingezogen. Alle Protagonisten wechseln die Rollen und Plätze in schneller Abfolge. Aus der tanzenden Victoria wird die Fahrerin eines Fluchtautos. Die Kamera verknüpft die vergehende Zeit und die zahlreichen Schauplätze nahtlos miteinander und bezieht den Zuschauer unmittelbar ins Geschehen ein.
Zwar handelt es sich bei „Queen of the Desert“ von Werner Herzog nicht um eine deutsche Produktion und trotzdem packen wir ihn mit in diese Kategorie. Der Film beschäftigt sich mit dem Leben von Gertrude Bell, die als Historikerin, Schriftstellerin und Angehörige des britischen Geheimdienstes maßgeblich an der Neugliederung des Nahen Ostens mitwirkte. Nicole Kidman spielt den weiblichen Thomas Edward Lawrence.
Außer Konkurrenz
Andere deutsche Beitrage zum Festival sind Oliver Hirschbiegels „Elser„, ein Film über den Versuch eines einzelnenen Mannes die Geschichte der Menschheit zu ändern. Hirschbiegel erzählt die Geschichte des Hitlerattentäters Georg Elser. Es fehlten nur 13 Minuten und Elsers Attentat wäre höchstwahrscheinlich erfolgreich gewesen. Auch Wim Wenders steuert mit „Every Thing Will Be Fine“ einen Film zur Berlinale bei. Er erzählt mit James Franco und Charlotte Gainsbourg die Geschichte eines verhängnisvollen Abends, an dessen Ende ein kleiner Junge stirbt.
Kritik an der Breite des Berlinale-Angebots
Trotz der vielen guten Film-Beiträge in diesem Jahr gibt es auch Kritikpunkte. So fransen sich die einzelnen Kategorien ein wenig aus. Als Beispiel hierfür kann die Berlinale-Reihe „Panorama“ gelten, die eigentlich Filme mit schwul-lesbischen und queeren Themen zusammenfasst. Mittlerweile wird, so könnte man denken, was sonst nicht ins Programm passt, zu „Panorama“ gesteckt.
Ich finde auch das ist eine Resterampe! – Patrick Wellinski über „Panorama“
Für Patrick Wellinski würde es dem Berlinale-Team besser zu Gesichte stehen, ein wenig genauer in der Auswahl bzw. der Einordnung ihrer Filme zu sein. Die Kritik hinsichtlich „Panorama“ lässt sich auch auf andere Kategorien übertragen. Trotzdem wäre es nicht sinnvoll noch weitere Rubriken und Reihen einzuführen, weil das Festival bereits derart voll ist, mein Wellinski. Vielleicht ist es auch an der Zeit einen neuen, jüngeren Direktor zu suchen. Der Vertrag mit „Mr. Berlinale“ Dieter Kosslick ist jedoch gerade um mehrere Jahre verlängert worden. Ganz ohne öffentliche Diskussion. In der Berliner Kukturszene keine Seltenheit.
Ich habe das ja eher aus der Sicht der Berliner Kulturpolitik gesehen, da tendiert man zu Helmut-Kohl-haften Vertragsverlängerungen. – Patrick Wellinski zu Kosslicks Vertragsverlängerung
Über die diesjährige Berlinale und die verheißungsvollen Namen im Programm haben Andreas Kötzing und Patrick Wellinski in der aktuellen Ausgabe des Kinomagazins „Super 8“ gesprochen.
Redaktion: Vincent Scheller