Bilder und Politik
Die Lenin-Statuen sind aus den Parks in Ostdeutschland verschwunden. Doch noch vor 30 Jahren, sieht das anders aus. Ob Straßennamen oder Büsten, der Sozialismus verehrt seine Helden. Dazu gehört auch die Selbstinszenierung im Film.
Die kommunistische Bildsprache verfolgt dabei immer ideologische Ziele. Das galt natürlich auch für die Filmlandschaft der DDR und das staatliche Dokumentarfilmfestival DOK Leipzig. Zum einen werden nur Filme gezeigt, die den eigenen Zielen nicht entgegen laufen und andererseits halten sich auch eingeladene wie beispielsweise sowjetische Filmemacher gezwungenermaßen an inhaltliche und optische Vorstellungen.
Kommunistische Bildsprache im Wandel
Im Laufe der Zeit ändert sich das sozialistische System und damit auch Subtext und Bildsprache der gezeigten Dokumentationen auf dem DOK Leipzig. In den 1970er Jahren, der Zeit des kalten Kriegs und des Vietnamkriegs, wollen sich die Ostblockstaaten vor allem gegenüber dem Westen abgrenzen. Dabei stilisiert sich die Sowjetunion als solidarische Gemeinschaft für die Freiheit der Völker. Der Gegenentwurf ist der „Imperialismus“ der USA.
Da gab es Themen, die waren sehr wichtig und es gab immer wieder Schwankungen inwieweit das Festival sich auch von diesem grundpolitischen Auftrag lösen konnte. Aber es gab natürlich zu DDR-Zeiten auch Grenzen, die nie überschritten werden konnten. – Andreas Kötzing, Historiker
Ende der 1980er Jahre ist die Krise des Sozialismus nicht mehr zu leugnen. Das spiegelt sich in politischen Bewegungen in Polen oder der Sowjetunion, aber auch in den Filmen der Zeit. Zunehmend verschwinden die ideologisch und symbolisch stark aufgeladenen Bilder. Stattdessen behandeln die Dokumentationen früher tabuisierte Themen und zeigen Missstände der sozialistischen Gesellschaft.
In diesem Jahr kam auf einmal ein Schwall von Filmen aus der Sowjetunion zum Leipziger Festival, die all diese Themen angesprochen haben. Frustration der Jugendlichen, Arbeitslosigkeit, Alkoholkonsum, verarmte Rentner, Umweltprobleme nach Tschernobyl. – Andreas Kötzing
Mit den 1980er Jahren endet dann auch das sozialistische System der DDR und später der Sowjetunion. Das bedeutet neue Freiheiten für Filmemacher und auch das DOK Leipzig.
Redaktion: Eva Weber
In der Serie „Klappe“ beschäftigen wir uns in fünf Teilen mit Geschichte und Gegenwart des DOK Leipzig.
Alle Folgen: detektor.fm/dok-leipzig
detektor.fm ist Medienpartner des DOK Leipzig 2017.
Beitrag zum Nachlesen:
Sozialismus, das klingt nach Proletariat, Hammer und Sichel. Diese Symbole haben sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Verantwortlich dafür ist unter anderem die sehr spezifische Bildsprache, mit der die Sowjetstaaten gearbeitet haben.
Das DOK-Leipzig als größtes Dokumentations- und Animationsfestival unterstand bis zur Wende der SED-Regierung der DDR. Einem kommunistisch gedachten System. Daher war es stark an die ideologischen Vorgaben des Regimes gebunden. Je nach politischer Lage, variierte dementsprechend auch die Auswahl der gezeigten Filme. Und auch die Filmemacher selber orientierten sich inhaltlich und gestalterisch an der aktuellen politischen Situation.
In den 50er und 60er Jahren wird das sozialistische System glorifiziert. Arbeiterbewegung, proletarisches Leben und Befreiung sind die zentralen Themen.
Diese Motive bestimmen auch in den 70er Jahren maßgeblich die Bildsprache und den Inhalt der gezeigten Dokumentarfilme. Dabei steht immer auch die Abgrenzung gegenüber den westlichen kapitalistischen Systemen im Vordergrund.
Der Sozialismus inszeniert sich als starke Gemeinschaft, als Freund der Völker der Erde. Bilder der Eintracht und des Miteinanders sollen das eigene System beschreiben. Der sowjetische Bruderkuss, der seit Stalin Teil der diplomatischen Begrüßungszeremonie ist, zeigt die Führungen der sozialistischen Staaten Seite an Seite in gegenseitiger Solidarität und Ehrerbietung.
Doch auch die internationalen Krisen der Zeit werden auf dem Festival thematisiert. Laut Andreas Kötzing sind politische Konflikte ein großes Thema in den 70er Jahren:
Später dann die Filme über die Militärdiktaturen in Lateinamerika, Chile hat eine ganz große Rolle gespielt in Leipzig auf dem Festival. Also da gab es Themen, die waren sehr wichtig und es gab immer wieder Schwankungen inwieweit das Festival sich auch von diesem grundpolitischen Auftrag lösen konnte. Aber es gab natürlich auch Grenzen, die nie überschritten werden konnten zu DDR-Zeiten.
Auch Anfang der 80er Jahre bleibt die Lage für die Filmemacher deshalb schwierig. Filme, die kontroverse Themen behandeln, wie z.B. die sowjetische Streikbewegung um die Gewerkschaft Solidarnosc, oder den Prager Frühling, können nicht in Leipzig gezeigt werden.
Stattdessen bestimmen nach wie vor Motive wie Arbeiterbewegung und Befreiungskampf die Filmlandschaft.
Neben all dem erlebt das Festival trotzdem langsam eine Öffnung.
Wenn man in den Anfang der 80er Jahre zurückgeht, ist es so, dass, und das hängt dann mit Perestroika und so zusammen, dass Perestroika eine Gegenbewegung war auf massiveren politischen Druck und der sich in dem Festival, so in der exponierten Position, die das Festival eben hatte, wo ja viel Ost-West-Austausch war,so auf das Festival eingewirkt hat. Und letztlich ist sowohl die höhere Restriktion, als auch die Geschichte der Perestroika, beide Sachen sind eng mit dem Geschehen des Festivals verbunden. -erklärt der Programmchef des DOK-Leipzig Ralph Eue.
Immer häufiger greifen die Dokumentationen frühere Tabuthemen auf. 1984 werden mit den Werken „Eisenbahnerfamilie“ und „The Times of Harvey Milk“ zum ersten mal Behinderung und Homosexualität Gegenstand von gezeigten Filmen.
Mit dem Ende der 80er Jahre fokussieren die Dokumentarfilme dann endgültig neue Themen und brechen mit dem Bild des glorreichen kommunistischen Systems. Ralph Eue:
In den 80ern als auch der kalte Krieg noch sehr manifest, gegenwärtig war und trotzdem einfach spürbar war, an allen Enden und Ecken, dass es da ein System gibt, dass mehr oder weniger dem Untergang geweiht ist oder das etwas zu Ende geht.
Das spiegelt sich auch in den Filmen der Zeit wieder. Das Jahr 1987 war laut Andreas Kötzing dabei ein besonderes.
Da hatte unter Gorbatschow ja schon die ganze Glasnost und Perestroika-Bewegung Fuß gefasst und in diesem Jahr kam auf einmal ein Schwall von Filmen aus der Sowjetunion zum Leipziger Festival, die all diese Themen angesprochen haben. Frustration der Jugendlichen, Arbeitslosigkeit, Alkoholkonsum, verarmte Rentner, Umweltprobleme nach Tschernobyl. All diese Filme waren auch einmal da und wurden in diesem Jahr auch in Leipzig gezeigt.
Die DDR-Funktionäre des Fernsehens versuchen diese Entwicklung bereits im nächsten Jahr zu unterbinden. Allerdings mit wenig Erfolg, denn auch die DDR-Filmemacher beginnen, die Missstände des Systems in ihren Filmen aufzuzeigen. Andreas Kötzing berichtet, dass ein Film dabei besonders hervorsticht:
1988 ist „Winter Ade“ von Helke Missewitz hier in Leipzig gelaufen. Ein Portraitfilm über verschiedene Frauen in der DDR, junge Punkerinnen, die man da sieht, die über ihre Vorstellung von Zukunft sprechen. Und allein schon dieser Titel war so programmatisch: Winter Adé, da spiegelte sich so viel drin wieder. Der Film hat einen der Hauptpreise bekommen, hier auf dem Leipziger Festival.
An Winter Adé zeigt sich exemplarisch für andere Filme dieser Zeit, wie die Filmemacher ganz subtil den Stimmungswechsel in der DDR einfangen.
Der Schwarz-Weiß Film lässt ganz unterschiedliche Frauen der DDR zu Wort kommen. Völlig ungeschminkt, zeigt der Film den harten Arbeitsalltag einer Angestellten in einer Brickettfabrik. Minutenlang fährt die Kamera durch die Fabrikhalle, dazu ohrenbetäubender Lärm. Jugendliche Punkerinnen sprechen von ganz einfachen Berufswünschen und alltäglichen Ängsten. Eine Frau feiert mit ihrem Mann Diamanthochzeit. Der Film zeigt das wahre Leben von Frauen in der DDR und verzichtet auf Loblieder auf den Sozialismus.
Das Publikum feiert diesen sensationellen Film. Bereits ein Jahr später, 1989, wird Leipzig zum symbolischen Ort der Wende. Das sozialistische Regime der DDR löst sich endgültig auf. Und mit ihm auch die sozialistische Einflussnahme auf das Festival und seine Filme.