Politikinszenierung: Große Bilder
Fernseh-Nachrichten ohne Bilder? Unvorstellbar. Für fast jede Nachricht gibt es Foto- oder Videomaterial. Und wenn es keine Bilder gibt, wird es keine Nachricht. Bilder und ihre Wirkung haben einen großen Effekt. Besonders Politiker nutzen deshalb die Mittel der Inszenierung, um das Geschehen in ihrem Interesse abzubilden.
Bildsprache früher und heute
Autokratische Staatsführer und Diktatoren lassen zu diesem Zweck die Medien kontrollieren oder gar zensieren. Gleichzeitig entwickeln sie Symbole und Bilder, die die eigene Herrschaft glorifizieren. Dieses Motiv findet sich auch in der kommunistischen Bildsprache des 20. Jahrhunderts. Der Blick auf die globalisierte Welt heute zeigt, dass einzelne Machthaber immer noch um den Ausdruck ihrer Macht bemüht sind. Politikinszenierung ist für den russischen Präsidenten Wladimir Putin oder den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan kein Fremdwort.
Macht, darum geht es bei dieser Form der Inszenierung. Also nach dem Motto: Mein Wille ist das, was durchgesetzt werden muss. – Paula Diehl, Wissenschaftlerin an der Humboldt Universität zu Berlin
Beim Thema Politikinszenierung sticht der US-amerikanische Präsident Donald Trump besonders hervor. Obwohl ein Vergleich zwischen den USA und Russland schwierig ist, finden sich Parallelen zwischen der Inszenierung Trumps und der Darstellung von Lenin.
Wenn man sich den Trump-Wahlkampf und die Ikonografie anschaut, also die Bildlichkeit seiner Person, dann stellt man fest, dass es große Ähnlichkeiten gibt, in der Ikonografie von Trumps Wahlkampf zu dem Auftreten von Lenin in der Zeit zwischen Februar- und Oktoberrevolution. – Ralph Eue, Programmchef des DOK Leipzig
In Zeiten multimedialer Nachrichtenströme haben sich die Rollen von Produzenten und Darstellern geändert. Denn die Zahl der Meldungen hat sich mit dem Internet vervielfacht und jeder kann heute Material veröffentlichen. Auffallende Bilder und große Symbole sind da weiter erfolgsversprechend. Eva Weber und Julia Rosner haben sich mit der Politikinszenierung beschäftigt. Anke Behlert spricht den Beitrag.
Redaktion: Eva Weber und Julia Rosner
In der Serie „Klappe“ beschäftigen wir uns in fünf Teilen mit Geschichte und Gegenwart des DOK Leipzig.
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Beitrag zum Nachlesen
Große Gesten, große Bilder: Politiker verwenden seit jeher Symbole, um sich und ihre Überzeugungen in Szene zu setzen. Diese erreichen durch massenhafte Verbreitung oft Kult-Status. Napoleon auf seinem Pferd als Inbegriff der Eroberung, Jesus am Kreuz als personifizierte Demut – jeder erkennt die Symbole aus vergangenen Zeiten. Inszenierte Bilder heute zu entziffern, ist oft schwieriger. Paula Diehl forscht an der Humboldt-Universität zu Berlin zu politischer Repräsentation.
Bildliche Inszenierung gibt es immer, fraglich ist nur, ob wir sie als solche wahrnehmen oder nicht. Das heißt wenn die Inszenierung und die Symbole für uns so selbstverständlich sind, dann gehen wir davon aus, dass sie gar nicht da sind.
Die derzeitige deutsche Politik, allen voran Angela Merkel, arbeitet mit sehr unauffälligen, nüchternen Bildern. In Deutschland gilt: Politik ist ein ernstes Thema und auch als solches zu behandeln. Nicht das Image einzelner Personen, sondern die Inhalte der Politik und die Institutionen stehen im Vordergrund. Paula Diehl über Angela Merkel:
Also sie zeigt sich im Grunde wie eine Beamtin, die sich zum Wohle der Nation inszeniert, hatte auch „Ich werde Deutschland dienen“ als ersten markanten Satz gesagt, und dementsprechend verhält sie sich auch.
Das war nicht immer so. Die sozialistischen Staaten des 20. Jahrhunderts arbeiteten mit einer stark ideologisch aufgeladenen Bildsprache. Auch die DDR inszenierte in der Öffentlichkeit, genauso wie in den Medien, eigene Stärke und Größe. Ralph Eue, Programmchef des DOK Leipzig, sieht dabei ein zentrales Motiv:
Es hat sich in den Bildsprachen – also wie kommunistische Führer dargestellt wurden – so etwas hergestellt, was eigentlich vor-demokratisch, vor-sozialistisch sowieso, ist. Der großer Führer, der sein Volk in die glorreiche Zukunft führt.
Auch wenn diese Form der politischen Inszenierung heute in Deutschland kaum noch existiert, findet man sie in anderen Teilen der Welt häufiger. Allerdings nicht mehr nur in kommunistischen Staaten. Politiker, die sich in solcher Form stilisieren, kommen aus ganz unterschiedlichen Regimen. Gemeinsam haben sie dennoch etwas, sagt Paula Diehl:
Sie personalisieren politische Entscheidung und sie zeigen sich als Verkörperung der Macht. Macht – darum geht es bei dieser Form der Inszenierung. Also nach dem Motto: Mein Wille ist das, was durchgesetzt werden muss.
Der US-amerikanische Präsident Donald Trump gehört zu dieser Art Machthaber. Kaum eine Person der Öffentlichkeit arbeitet derart plakativ. Auch der diesjährige Programmchef des DOK-Leipzig Ralph Eue sieht Ähnlichkeiten in der Bildsprache Trumps und früheren kommunistischen Darstellungen.
Wenn man sich den Trump-Wahlkampf und die Ikonografie anschaut, die Trump selber bemüht hat, also die Bildlichkeit seiner Politik, seiner Person, dann stellt man fest, dass es große Ähnlichkeiten gibt in der Ikonografie von Trumps Wahlkampf zu dem Auftreten von Lenin in der Zeit zwischen Februar- und Oktoberrevolution. Also dieses berühmte Bild: Lenin steht über einer Stadtsilhouette und über einer Menschenmenge und weist in die Zukunft mit gestrecktem Zeigefinger. Und man muss nicht lange suchen, wenn man googelt, wenn man nur Trump-Lenin als Suchbegriff eingibt, ich will nicht übertreiben, mindestens 20-30, doch jetzt übertreib ich, so Bilder!
Neben Trump gibt es weitere Präsidenten, die sich selbst überhöht darstellen. Auch in Russland und der Türkei sehen sich die aktuellen Machthaber gerne als Inbegriff der Staatsgewalt. Paula Diehl erklärt die Unterschiede in der Inszenierung:
Allerdings haben die alle drei unterschiedliche Selbstdarstellungen. Wenn man sich Putin anschaut, dann merkt man, dass er sehr stark seinen Körper in den Vordergrund stellt. Wenn man jetzt Erdogan anschaut, würde Erdogan sich nicht nackt oder Oberkörper frei fotografieren lassen. Bei Putin ist der Körper das Symbol schlechthin für Macht. Bei Erdogan nicht, aber Erdogan geht sehr stark auf diese personalisierte Entscheidungsebene. Und Trump personalisiert seine politische Entscheidung, indem er andere Leute angreift und außerhalb des politischen Codes geht. Das heißt er beleidigt andere, er hat Äußerungen, die sehr aggressiv sind.
Das Abwerten der Gegner ist auch ein beliebtes Instrument der kommunistischen Machthaber gewesen. Im Kalten Krieg wird das westliche kapitalistische System gegenüber dem eigenen abgewertet.
Ein DDR-Propagandafilm betont die Schönheit der Ostseite Berlins gegenüber dem Westen:
Unsere Grenzübergänge stehen jedem offen, der in friedlicher Absicht kommt, im Besitz gültiger Dokumente zugetreten der DDR ist, unsere Gesetze anerkennt, einhält. Er sieht dann mehr als aus diesem Blickwinkel einer westberliner Stadtrundfahrt: Und kann unsere Hauptstadt richtig kennenlernen.
Dennoch schwächelt der Vergleich an mancher Stelle.
Laut Paula Diehl unterscheidet sich die kommunistische Bildsprache von heutigen Formen der Inszenierung dennoch in einem wesentlichen Punkt.
Ein Unterschied ist, dass die Massenmedien sich sehr verändert haben. Und selbst Egokraten müssen sich anders verhalten. Wir haben zum einen diese Vermischung von Fiktion und Realität und Unterhaltung und Politik. Egokraten müssen irgendeine Form der Unterhaltung bieten, dass ist der Fall von Trump, von Putin in gewisser Hinsicht, indem er die ganze Zeit das Publikum mit Bildern von sich selbst versorgt.
Mit dem Internet demokratisiert sich auch die Medienwelt. Nicht mehr die herrschenden Politiker entscheiden, was gesehen wird. Stattdessen selektiert die Mehrheit der Medienkonsumenten. Große Symbole sind jetzt schlicht notwendig, um nicht in der Masse der Nachrichten unterzugehen. Denn wer sich im lauten Durcheinander Gehör verschaffen will, wer zwischen den vielen verschiedenen Meldungen und Nachrichten wahrgenommen werden möchte, der muss auffallen. Die modernen Massenmedien haben ihre eigenen Aufmerksamkeitsregeln. Diese lauten: einfacher, dramatischer und emotionaler. Paula Diehl dazu:
Und deswegen erklärt sich, dass Populisten, die da auf all diese drei Komponenten eingehen, immer stärker von den Massenmedien privilegiert werden, weil sie im Grunde deren Aufmerksamkeitsregeln bedienen. Was wir im Moment beobachten, ist eine Art Wettbewerb um das Auffallen. Also, es hat mit den Rechtspopulisten angefangen, aber inzwischen gehen viele PolitikerInnen von den etablierten Parteien auch auf die Skandale, oder auf über-pointierten Sätze oder emotionale Zuspitzung ein, weil sie damit hoffen, von den Massenmedien besser berücksichtigt zu werden.
Die Rolle der Medien ist also durchaus ambivalent. Zum einen erschweren sie propagandistische Indoktrinierung. Zum anderen aber fordert ihre kurze Aufmerksamkeitsspanne mächtige Bilder. Inszenierung ist heute also ein Kompromiss zwischen politischen Akteuren und Nachrichtenproduzenten. Generell gilt aber weiterhin: Wer seine Ideen verbreiten will, tut das am Besten mithilfe großer Bilder.