Ein feministischer Weg
Als sie in den 1960er-Jahren in ihrem Studio gearbeitet hat, hat sie sich selbst nicht als Frau, sondern als Künstlerin verstanden, erinnert sich Judy Chicago im Gespräch mit der Monopol-Autorin Saskia Trebing:
But as soon as I walked out the door, I was treated — guess what? — like a woman. And after ten years, I decided I had to stop ignoring it. I had to confront it and try and understand if any women artists before me had encountered what I was encountering. And thus I started on my discovery of our cultural heritage and there was no going back.
Judy Chicago
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Zwar durften Frauen damals schon Kunst studieren, ihre Werke und Themen hatten jedoch kaum Platz im männlich dominierten Kunstbetrieb. Und so fragt auch die Kunsthistorikerin Linda Nochlin Anfang der 1970er-Jahre in ihrem gleichnamigen Essay kritisch: „Why Have There Been No Great Women Artists?”
Wenn Frauen keinen Zugang zu Kunstakademien haben, dann ist es kein Wunder, dass es einfach zahlenmäßig weniger gibt. Und dann muss man aber gucken: Okay, wie setzt sich das in der Gegenwart fort? Dafür gibt es ganz viele strukturelle Gründe. Angefangen beim Kunstmarkt, wer sammelt, bis hin zu: Wem wird welcher Wert zugeeignet?
Elke Buhr, Chefredakteurin des Monopol-Magazins
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Ein Platz am Tisch
Ein Ergebnis dieser Auseinandersetzung ist eines der wohl wichtigsten Werke von Judy Chicago, die Installation „The Dinner Party”. Sie besteht aus einer Festtafel, an der für 39 bedeutende Frauen aus verschiedenen Epochen gedeckt ist. Heute ist die Installation Teil der Dauerausstellung im „Brooklyn Museum” in New York.
Da sitzt dann Georgia O’Keeffe neben Hildegard von Bingen neben der altägyptischen Herrscherin Hatschepsut. Jeder Platz hat so eine ganz eigene Ausgestaltung und selbstgemachte Keramikteller, die teilweise auch sehr bekannt geworden sind. Der von Georgia O’Keeffe sieht sehr floral wie eine Vulva aus.
Saskia Trebing, Monopol-Redakteurin
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Werke aus mehr als 60 Jahren
Im Oktober ehrt das „New Museum” in New York Judy Chicago mit der Retrospektive „Herstory” — die wohl größte Ausstellung ihrer ganzen Laufbahn. Auf drei Etagen werden Werke aus sechs Jahrzehnten gezeigt. Dabei sind die frühen minimalistischen Werke der 1960er, die feministischen Werke der 1970er und auch narrative Werke. So etwa auch Teile aus ihrer Werkserie „Holocaust Project: From Darkness into Light“ (1985-93), an der Judy Chicago in den 1980ern gemeinsam mit ihrem Mann Donald Woodman gearbeitet hat. „Es ist ein sehr eklektisches Projekt“, beschreibt es Saskia Trebing im Podcast. Für Chicago und ihren Mann ist es eine Auseinandersetzung mit der eigenen jüdischen Identität. Dafür haben sie verschiedene Schauplätze der Shoah bereist. Die Werkserie ist ein Versuch, eine künstlerische Form für diese Auseinandersetzung zu finden.
Man kann nicht sagen, dass hier eine stringente historische Geschichte bebildert wird, sondern es geht sehr stark um Collagen, in denen historisches Material mit selbst aufgenommenen Fotos, aber auch mit Malerei, Glaskunst und Tapisserien verbunden wird, die eine Geschichte erzählen, in der das Böse auf eine Hoffnung trifft. Und ich bin irgendwie auch immer noch total unsicher mit diesem Projekt, weil es teilweise sehr allgemein bleibt.
Saskia Trebing
Die US-amerikanische Künstlerin Judy Chicago gilt heute als eine Ikone des Feminismus. Der Weg dorthin war für die heute 84-Jährige lang. In dieser Folge von „Kunst und Leben“, dem Podcast in Kooperation mit dem Monopol-Magazin, spricht detektor.fm-Moderatorin Aileen Wrozyna mit der Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr und ihrer Kollegin Saskia Trebing über das bewegte Leben von Judy Chicago und ihre Bedeutung für die feministische Kunst bis heute. Im Oktober ehrt das „New Museum” in New York Judy Chicago mit der Retrospektive „Herstory”. Außerdem zeigt das Haus der Kunst seit Anfang September Judy Chicagos Installation „Feather Room” von 1967 als Teil der Ausstellung „In anderen Räumen. Environments von Künstlerinnen 1956 – 1976”.