Sie war die Nanny der Nation, doch nun ist Schluss. Katharina Saalfrank, die als Privatfernseh-Pädagogin in der Pseudo-Doku „Die Super Nanny“ große Bekanntheit erlangte, steigt bei RTL aus. Der Sender habe ihre Arbeit behindert, indem er zu oft versucht habe, die Geschehnisse per Drehbuch zu beeinflussen – „Scripted Reality“ nennt man das dann. Das ist eine Form von Reality-TV, die bei deutschen Privatsendern derzeit boomt: „Mitten im Leben“, „Familien im Brennpunkt“ oder „Die Schulermittler“ sind nur einige Beispiele für ein Genre, bei dem echte Laien erfundene Handlungsstränge darstellen.
Doch Scripted Reality ist nicht unumstritten. Immer wieder wird das Fehlen eindeutiger Hinweise auf die Fiktionalität der Sendungen moniert. Auch Studien belegen, dass fast die Hälfte der Rezipienten überzeugt ist, es mit einer wahren Begebenheit zu tun zu haben. „Lügenfernsehen“ nennen Kritiker das und werfen den Machern der Formate Betrug am Zuschauer vor.
Die Sender haben zunehmend geringere Budgets am Nachmittag. Das heißt, es macht einen Riesenunterschied, ob sie eine Serie herstellen, wo sie acht oder zehn Drehtage haben, oder wo sie eine Folge in zwei bis drei Drehtagen abdrehen können. (G. Stampf)
Die betreffenden Privatsender und die verantwortlichen Produktionsfirmen sehen das selbstverständlich anders. Sie verweisen auf den intelligenten Fernsehzuschauer, der selbst in der Lage sei, festzustellen, wann er es mit Realität und wann mit Fiktion zu tun hat. Zudem ist die Produktion von „Scripted Reality“ mit sehr viel weniger Aufwand und Investitionen verbunden, als herkömmliche Sendeformate mit ausgebildeten Schauspielern. Und nicht zuletzt gäbe es das Format ja gar nicht, wenn die Leute es nicht wollten.
Über Ursprung und Zukunft des „Scripted Reality“-Genres und die Kritik sprechen wir mit Günter Stampf. Der TV-Produzent ist Geschäftsführer von „Stampfwerk“ und produziert unter anderem „Die Schulermittler“ für RTL und „We Are Family“ für ProSieben. Er hält die Aufregung um solche Formate für eine Scheindebatte.
Wenn man eine normale Doku über eine Familie dreht, die auswandert und vielleicht an einem Punkt ist, wo sie nicht so glücklich ist, dann ist man froh, wenn man diesen Moment einfangen kann. Das kommt vielleicht ein Mal pro Stunde in einer Sendung vor. Bei uns kommt es dann vor, wenn wir sagen dass es vorkommen soll. (G. Stampf)
NDR-Dokumentation „Das Lügenfernsehen“