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Drei Autoren, drei Bände, dreimal endlos viele Fragen an den Kapitalismus. | Grafik: Montage / © Cover v.l.n.r.: Suhrkamp, Suhrkamp, Klett-Cotta.
Drei Autoren, drei Bände, dreimal endlos viele Fragen an den Kapitalismus. | Grafik: Montage / © Cover v.l.n.r.: Suhrkamp, Suhrkamp, Klett-Cotta.

Urlaubs-Lektüre | Paul Mason, David Graeber und Gernot Böhme: Fragen an den Kapitalismus

Die Sache mit dem Kapitalismus

Jeden Tag empfehlen detektor.fm-Macher Urlaubs-Lektüre. Heute aber hat das nicht nur mit Entspannung zu tun, sondern mit Zeit: genügend Zeit, um mal einer großen Frage nachzugehen. Was kommt eigentlich nach dem Kapitalismus? Antworten suchen „Bürokratie“ von David Graber, „Postkapitalismus“ von Paul Mason und „Ästhetischer Kapitalismus“ von Gernot Böhme.

Urlaubszeit ist auch Lesezeit. Doch die Frage stellt sich, angesichts etlicher Bestseller-Listen, Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis und in den sozialen Netzwerken: Welches Buch kaufen?

Kaufen ist dabei genau das richtige Stichwort: denn unser heutiger Tipp stellt Fragen an den Kapitalismus. Klingt groß, schwer und komplex und ist darum im Urlaub und an den freien Tagen nicht unbedingt falsch. Denn genau dann findet man den freien Kopf und den leeren Kalender, um sich solchen Fragen mal ganz ohne Druck zu widmen.

Weil das Thema ein großes ist, ist es mit einem einzigen Buch nicht getan gleich drei Bücher landen heute in unseren Urlaubs-Lesetipps:

Paul Mason: Postkapitalismus Grundrisse einer kommenden Ökonomie

Dass der Kapitalismus irgendwann nicht mehr sein wird, scheint klar. Nur kann man eben nicht wissen, wann. So beginnt Jens Bisky seine Besprechung von Paul Masons „Postkapitalismus“ in der Süddeutschen Zeitung. „Wissen kann man, dass die Krise, die spätestens 2008 begann, nicht enden will. Der Spätkapitalismus hat nicht mehr nur die guten alten Legitimationsprobleme, vielmehr scheinen seine Eliten von der Aufgabe überfordert, ihn am Laufen zu halten“, resümiert Jens Bisky, der zurecht darauf hinweist, dass Mason sich mitunter in Schlagworten und auf dünner Faktengrundlage verliert.

Nichtsdestotrotz: Mason stellt die richtigen Fragen, mögen sie auch hier und da etwas groß und pathetisch geraten. Dass die Antworten auf diese Fragen nicht mit einem Buch zu finden sind, kann man Paul Mason nicht vorwerfen.

David Graeber: Bürokratie Die Utopie der Regeln

Mit „5.000 Jahre Schulden“ hat es der in London lehrende Anthropologie-Professor David Graeber zu einigem Ruhm gebracht. Vielleicht sogar zum Status eines Lieblings-Intellektuellen der gegenwärtigen Gesellschaftskritik. Graeber macht keinen Hehl daraus, dass er sich als Anarchist versteht und seinen Büchern tut das gut. Denn wo andere ziemliche Verrenkungen hinlegen und mit Vorbedingungen arbeiten müssen, die sagen wir mal mutige Gedankensprünge eher schwer machen, schreibt David Graeber recht schonungslos drauflos.

Das kippt mitunter in Allgemeinplätze ab, und ein wenig ärgerlich ist auch, dass die drei Hauptkapitel des Buches irgendwie wenig bis nichts miteinander zu tun haben. Da nutzt auch der gemeinsame Buchdeckel nix. Man kann das verstehen, Graeber dürfte nach seinem ersten Bestseller genug um die Ohren gehabt haben. Wer aber vorher gewarnt ist, dass es den einen roten Faden durch das Buch nicht gibt, der erspart sich Enttäuschung.

Graeber liefert dennoch: die fulminante Kritikkeule. Die unterhaltsame, scharfe Sprache. Und die teils radikale Vereinfachung, die man aus wissenschaftlicher Perspektive kritisieren kann (und muss), die aber eigentlich ein ganz wohltuender Schubser ist, um aus dem eigenen festgefahrenen Denken auch mal auszubrechen. Und er liefert die Frage, warum wir uns mittlerweile eigentlich in wirklich jedem noch so kleinen Bereich unseres Lebens von Formularen, Bürokraten und quasi-staatlichen Gewalt- oder Verfahrensmonopolen beeindrucken lassen.

Gernot Böhme: Ästhetischer Kapitalismus

Böhme ist emeritierter Professor für Philosophie und er geht einer Frage nach, deren Aufwerfen allein einen schon zwei, drei Tassen Kaffee kosten kann: Sind unsere Shopping-Tempel vielleicht nur Bühnen, nur Mittel zum Zweck der Selbstinszenierung?

Gernot Böhme trifft eine interessante Annahme: Was, wenn es so etwas gäbe wie einen ästhetischen Kapitalismus? Was, wenn der Kapitalismus derzeit eine Entwicklungsstufe erreicht hat, die uns glauben macht, aus unseren Bedürfnissen würden lauter „Begehrnisse“?

Der Inszenierungswert von Produkten liegt heute fast immer über ihrem eigentlichen Gebrauchswert. Und das zeigt uns eines deutlich: Kunst und Kommerz sind eben nicht zwei Enden einer Skala und weit voneinander entfernt. Sie befruchten und beleben sich gegenseitig. Man kann das im Alltag sehen und erleben besser verstehen kann man es aber mit der Lektüre dieser Essaysammlung.

Fragen an den Kapitalismus

Es ist ein wenig anstrengend, macht aber fast schon Spaß, diese drei Bücher gleichzeitig oder nah beieinander zu lesen. Warum, das erklären wir in unserem heutigen Lektüre-Tipp.

detektor.fm empfiehlt Urlaubslektuere – Graeber Mason und Boehme stellen Fragen an den Kapitalismus 02:27

detektor.fm-Macher empfehlen Bücher. Für den Urlaub. Und für danach. Alle Tipps gibt’s hier.

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