Die Porträtmalerei ist zurück
Wir blicken anderen Menschen einfach gerne ins Gesicht. In der Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe des Magazins Monopol ist auch von „Urlust“ die Rede. Verbunden mit diesem Verlangen ist auch die Porträtmalerei. Ein Genre, in dem die Neugierde eines Menschen auf einen anderen allerdings unter so viel Politik und Repräsentation begraben liegt wie die Leinwand unter Schichten von Öl.
Gesichter sind die interessantesten Sachen, die wir sehen, hat der britische Maler David Hockney einmal gesagt. „Andere Leute sind faszinierend. Und der interessanteste Aspekt anderer Leute, der Punkt, wo wir in sie hineingehen, ist das Gesicht. Es sagt alles.
Ein gutes Porträt, so die landläufige Meinung, soll die Essenz einer Person erfassen. In früheren Zeiten bestand diese Essenz eher in der sozialen Stellung. Die wurde deshalb vom Maler in Kleidung, Attributen und Haltung symbolisch festgehalten. In dem Blick eines Adligen aus dem 17. Jahrhundert sucht man seinen individuellen Charakter vermutlich vergebens. Und als der individuelle Charakter auch im Porträt in den Mittelpunkt rückt, ist es längst die Fotografie, die die Verantwortung für das naturalistische Abbild einer Person übernommen hat. Während in der Malerei über die Varianten von Abstraktion diskutiert wird.
Die Porträtmalerei erscheint in der Moderne als eine Art Spleen einiger Sonderlinge. – Elke Buhr, Monopol Magazin
Künstler geben dem Porträt wieder politische Kraft
Nun ist die Porträtmalerei mit überraschender Kraft zurück, mit den klassischen Fragen der Kunstgeschichte im Gepäck: denen nach der Macht und der Repräsentation. Über die Frage, wie ein Mensch heute gemalt werden kann, hatte die Kunstgeschichte lange eine zweite, genauso wichtige vergessen. Eine, die im 17. Jahrhundert noch sehr bewusst war: wer gemalt werden darf und was das bedeutet.
Heute kommt die interessanteste Porträtmalerei der Gegenwart von afrikanischen oder afroamerikanischen Künstlern. Sie füllen die Leerstellen der westlich dominierten Malereigeschichte mit Bildern, die in den Museen der Welt gefehlt haben, und geben dem Porträt seine politische Kraft zurück.
Der aktuelle Erfolg dieser figurativen Malerei ist mehr als ein Hype. Er funktioniert, weil das alte Medium eine neue Dringlichkeit bekommt, sagt Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr im Gespräch mit detektor.fm-Moderator Claudius Nießen: