Dass Charlotte Gainsbourg ein Live-Album veröffentlicht, ist fast schon ein kleines Wunder. Denn die Tochter von Serge Gainsbourg und Jane Birkin war zu Anfang ihrer Musikerkarriere so nervös vor Auftritten, dass sie diese absagte. Eigentlich ungewöhnlich für eine Schauspielerin, die sich zuletzt in Lars von Triers Antichrist eher freizügig zeigte.
Am Anfang war ich wie gelähmt. Dabei wollte ich doch auf die Bühne. Bei meinem letzten Album war ich aber so gelähmt, dass ich alle Auftritte abgesagt habe. Ich konnte es einfach nicht. Ich war noch nicht soweit. Auch dieses Mal hatte ich Angst, aber diesmal wollte ich es wirklich schaffen.
Mittlerweile hat sie ihr Lampenfieber also überwunden, sodass man Stage Whisper fast als Befreiungsschlag bezeichnen kann. Statt ein Konzert abzusagen hat Gainsbourg sogar eins aufgenommen und auf einem Album verewigt. Ein Album, das von den großartigen Begleitmusikern lebt, die die Lieder zum Teil neu, rockiger und härter interpretieren, und natürlich von Gainsbourgs sehr eigener Stimme.
Diese Stimme ist noch immer nicht die einer ausgebildeten Sängerin. Aber genau diese Imperfektion zeichnete schon auf der ersten Platte den Charme und das Ehrliche von Gainsbourgs Musik aus. Auf Stage Whisper beweist sie nun, dass sie immer öfter die hohen Töne trifft – wie zum Beispiel auf Just Like A Woman, einem Cover von Bob Dylan. Sie variiert zwischen warmen Sprechgesängen und aggressiveren Ansprachen wie auf The Operation.
Warum das Album ausgerechnet Stage Whisper heißt, obwohl sie sich doch mittlerweile alles andere als hinter ihrer Stimme versteckt, erklärt Charlotte Gainsbourg so:
“Stage Whisper” hat ja etwas vertrauliches, etwas das nicht für andere Ohren bestimmt ist. Für mich bedeutet das Vertraulichkeit mit meinem Publikum. Ich zeige ihnen da meine Entwicklung. Klar, vom ersten bis zum jetzigen Album ist der Unterschied nicht so groß, aber es ist ein kleiner Schritt. Und es ist schön, diese Unterschiedlichkeit auf der Bühne zu zeigen.
Von einer anderen Seite zeigt sich die Sängerin auch auf dem ersten Teil des Albums, das acht bisher unveröffentlichte Stücke enthält. Nicht nur stimmlich, sondern auch musikalisch schlägt sie neue Töne an. Besonders auf Terrible Angels und dem 80er New-Wave-Pop-Stück Paradisco gibt sich Gainsbourg ausgelassen, selbstbewusst und zeigt, dass sie mit ihrer Stimme mehr als nur schüchtern flüstern kann.
Gainsbourg sagt, es mache ihr Spaß, in ihren Liedern verschiedene Charaktere zu spielen. Eine große Rolle bei dieser Transformation spiele dabei besonders der amerikanische Alles-Könner Beck, der schon ihr letztes Album IRM produzierte.
Mit Beck als Produzenten kann ich etwas wagen. Er ist ja selbst gerne mal ein bisschen experimentell. Und das mag ich so an ihm. Mit anderen Leuten wäre ich viel näher an dem, was ich bin. Den Song Paradisco haben wir eigentlich schon fürs letzte Album aufgenommen. Er passte aber nicht zum Rest. Er war ganz anders. Das war eher eine Art Witz. Bei diesem Album hat er so gut gepasst, weil e im Primzip nirgendwo reinpassen musste. Es ging darum, möglichst unterschiedliche Lieder zu haben. Einfach Lieder, bei denen es mir Spaß macht sie zu singen.
Nicht nur Beck, sondern beispielsweise auch „Noah And The Whale“-Sänger Charlie Fink mischten an den Songs mit. So ist das Album eine Art Zusammenstellung der Lieder geworden, die im Laufe der Produktion zu Gainsbourgs letztem Album entstanden sind. Sie zeigen die mittlerweile große musikalische Bandbreite der Künstlerin – von treibendem Electro-Pop, über traurig-düstere Lo-Fi-Nummern bis hin zu lieblichen Geigen- und Harfen-Klängen und einfachen Gitarren-Stücken, unterlegt von Gainsbourgs melancholischer Stimme.
Sollte Charlotte Gainsbourg noch mehr unveröffentlichtes Material haben – sie sollte es auf jeden Fall mit ihrem Publikum teilen, selbst wenn sie es ihm nur vertraulich und sanft ins Ohr flüstert.