„It’s an album of songs“, hatte David Longstreth verlauten lassen – für ihn ein fast schon gewagtes Voranpreschen, denn für klassisches Songwriting hatte der Kopf und Sänger der Dirty Projectors noch nie viel übrig. Ob orchestrale Arrangements oder Hardcore-Anleihen – bei den Dirty Projectors gab es schon so einiges zu hören, nur nicht gewöhnliche „Alben mit Songs“. Wer jetzt denkt, das neue Album beherberge Radio-Pop in drei Minuten dreißig, täuscht sich gewaltig. Noch immer ist es das Experiment, das Unvollkommene, was Longstreth fasziniert:
Auf diesem Album geht es um eine bestimmte Form der Unvollkommenheit. Die Aufnahmen sind unsauber. Wir wollten Momente einfangen, die sich nicht reproduzieren lassen.
Unsaubere Aufnahmen und Momente, die sich nicht reproduzieren lassen – das setzt voraus, das man beim Aufnehmen auch mal Fehler zulässt. Denn bei allen Korrekturmöglichkeiten in der Studioumgebung sind es eben jene Fehler, die eine Aufnahme erst zu etwas ganz besonderem machen.
In der Menschlichkeit und in der Unvollkommenheit steckt auch immer etwas Schönes. Gleiches gilt für die Kluft zwischen einer Idee und der Art, wie diese Idee umgesetzt wird. Es geht mir vor allem darum, Dinge nicht zu wiederholen.
Zum Schreiben der Songs hat sich Longstreth diesmal zurückgezogen, auf ein Anwesen vier Stunden entfernt von New York. Die Band kam immer mal vorbei, um mit ihm die neuen Stücke zu proben. So entstanden 40 Songs, von denen es schließlich zwölf aufs Album geschafft haben. Dirty Projectors sprühen nur so vor Ideenreichtum. Dementsprechend vielfältig sind auch die Themen der Songs.
Ich liebe Alben, die viele verschiedene Stimmungen haben und sehr abwechslungsreiche Erfahrungen widerspiegeln. Beatles-Alben tun das. Da darf ein Liebeslied direkt neben einem Lied über Tod stehen und dann gibt’s einen Spaß-Song, ein Kinderlied usw. Alben, die derart in die Breite gehen, findest du heute kaum noch.
Tatsächlich denkt man hin und wieder an das Spätwerk der Fab Four, wenn man sich den schrulligen Songs der Dirty Projectors widmet. Auch der Sound eifert zuweilen alten Techniken aus den 60ern nach. So ist der Titelsong z.B. so abgemischt, dass man das Schlagzeug fast nur links hört.
Dennoch fällt es schwer, Swing Lo Magellan mit musikalischen Referenzen abzustecken. Zu einzigartig ist der Songwriting-Stil der Dirty Projectors. David Longstreth singt unberechenbare Melodie-Bögen, skurrile Frauenchöre schlängeln sich um seine Stimme und die Band wechselt urplötzlich von Akustik-Ballade auf Rock-Brett.
Bands wie Dirty Projectors machen es dem Schubladendenken in der Musik schwer. Sie passen in keine Form, schon gar nicht ins Radio. Denn fürs Nebenbei-hören ist Swing Lo Magellan zu kompliziert. Es braucht schon ein paar Durchläufe, bis dieses Album zündet. Dennoch setzt sich diese Musik dank digitalen Verbreitungswegen auch ohne Radio-Airplay durch.
Das Internet hat die Art und Weise, wie Leute Musik konsumieren und verbreiten demokratisiert. Dieser einfache Dualismus, sich mit der einen oder anderen Strömung zu identifizieren, existiert faktisch nicht mehr. Aber ich treibe die Idee voran, Dinge von Grund auf neu anzugehen. So schreibe ich Songs. Ich will es nicht jemandem nachmachen.
Pluralismus statt Dualismus – genau hier liegt die große Chance für Bands wie Dirty Projectors – der Raum, in dem viel Platz für neues ist. Zum Beispiel für die schönen, verschrobenen Songs auf Swing Lo Magellan.