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Album der Woche: Francesco Wilking – Die Zukunft liegt im Schlaf

Für manche Musiker ist ihre Arbeit ein Ventil, eine Art akustisches Tagebuch. Für Francesco Wilking ist das anders. Seine Musik benutzt er eher als Interpretationsvorlage. Er schreibt Stücke, nimmt sie auf und beginnt erst im Nachhinein, sich Gedanken über deren Aussage zu machen.

Nachdem er im letzten Jahr mit seiner Band Tele durch Afrika und Asien getourt ist, hat er nun – ohne Tele – das vertont, was ihm seit zehn Jahren durch den Kopf spukt, aber nie ganz zur Band gepasst hat. „Die Zukunft liegt im Schlaf“ heißt sein erstes Soloalbum.


Francesco Wilking ist in erster Linie ein Geschichtenerzähler. Die zehn Stücke auf Die Zukunft liegt im Schlaf könnten statt akustisch, genauso gut als Kurzgeschichtensammlung auf Papier gedruckt erscheinen. Zehn kleine Erzählungen, mal lustig, mal traurig, aber so, dass man sich darin wiederfindet. Es wäre ein Vergnügen, sie zu lesen.

Seine Songs, so sagt er selber, gleichen einem Eisberg: Das, was in den Texten zum Vorschein kommt, ist nur die kleine Spitze. Der große Unterbau bleibt aber im Wasser versteckt. Und dabei gibt es viel zu entdecken, in diesem Unterbau: Da ist der Lidlverkäufer, der unbekannterweise vor der Tür steht, weil er mal jemanden zum Reden braucht. Oder der Minister, der von Konferenz zu Konferenz hetzt und am Ende des Tages allein in seinem Hotelzimmer sitzt. Einsamkeit ist ein großes Thema des Albums.

Einsamkeit ist natürlich dieser eskapistische Blödsinn, ist aber leider wahr: Ein Platz in dem Kunst stattfindet. Man schafft sich entweder eine echte Einsamkeit, weil man sowieso das Gefühl hat, man ist allein auf der Welt oder man schafft sich eine künstliche Einsamkeit, weil man zwar Leute hat, aber Einsamkeit braucht, um arbeiten zu können. Deswegen ist es eine Art normaler Raum in dem man sich befindet, wenn man Kunst macht.

Die Arbeit an seinem Album war für Wilking ein Experiment. Kein einziger Song war vor der Aufnahme fertig. Stattdessen gab es lose Skizzen. Ein bisschen Gitarre, ein bisschen Gesang, teilweise unfertige Texte. Die Entwürfe schickte Wilking an seine Musiker, mit denen er dann drei Tage ins Studio ging. Ohne zu Proben spielten sie drauf los und die Aufnahme lief von Anfang an mit. Einige Stücke haben sie nur ein einziges Mal gespielt und so finden sie sich nun auf dem Album.

Wenn ich Regisseur wäre und ich hätte zwei Schauspieler, würde ich denen sagen: Hier ist der Tisch im Café und ihr setzt euch jetzt da hin und unterhaltet euch. Und nach fünf Minuten fangt ihr an, euch zu streiten und dann stehst du auf und gehst raus und knallst die Tür zu. Und das wird dann gefilmt. Und nicht: Hier sind Dialoge, lernt sie auswendig und dann drehen wir und irgendwann ist der Film fertig.

So ist eine sehr reine Platte entstanden, ohne aufwendige Experimente oder soundästhetische Überraschungen. Im Vergleich zu den sonst eher gitarrenlastigen Tele-Songs, sind die Solo-Stücke von Wilking wesentlich reduzierter. Hier und da streift er Country und Bossa Nova, zaghaft erklingt mal ein Banjo oder Bläser. Das war‘s dann aber auch schon an Abwechslung. Die Zukunft liegt im Schlaf ist beinahe zur Gänze ein akustisches Album geworden.

Wenn nach 10 Lieder die Platte zu Ende ist, weiß man, woher die Eisbergmetapher kommt. Man hat das Gefühl, gerade einmal an der oberen Eisschicht gekratzt zu haben und bleibt mit Fragen zurück. Was ist das zentrale Thema der Platte? Ist es ein fröhliches oder ein trauriges Album? Fragen, die Francesco Wilking selbst nicht beantworten kann.

Das ist wirklich interessant, weil ich durch so eine Situation wie ein Interview anfange, irgendwas über meine eigene Platte rauszufinden. Ich hatte da bisher überhaupt nicht darüber nachgedacht. Es gibt Stücke, bei denen ich mich selber frage, wo das hingeht. Ich weiß nur, das passt ineinander. Deswegen, ob es da so einen richtigen Deckel drüber gibt, oder eine Überschrift? Die Zukunft liegt im Schlaf!

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